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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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Stellen, doch es war eindeutig immer dieselbe Stimme. Irgendjemand schien in diesem Wald ganz schön herumzukommen. Im Umkreis der Kate fielen mir Spuren willkürlicher Zerstörung auf, außerdem drang durch das Gehölz der Lichtschein eines großen Lagerfeuers.
    Die Kate stand noch, allerdings waren das Dach eingestürzt und der früher so gepflegte Garten von Unkraut überwuchert. An den Steinmauern rankten sich Schlingpflanzen
hoch, die durch die Fensterhöhlen bis nach innen gewachsen waren. All das fand ich nicht ungewöhnlich, ich hatte nichts anderes erwartet. Sehr viel beängstigender war, was ich sonst noch entdeckte: Von einem durchhängenden Seil, das zwischen zwei Pfähle gespannt war, baumelten mindestens ein Dutzend verrottende Hirschkadaver, die irgendjemand auf keineswegs fachmännische Art ausgeweidet hatte. Die achtlos weggeworfenen Innereien stapelten sich auf dem Boden und verwesten bereits – ein gefundenes Fressen für die Insektenschwärme, die wie eine Wolke darüberhingen. Ich war froh, dass der Gestank nicht bis zu mir herüberdrang, da ich im Windschatten stand.
    Zwischen den Kadavern und der Kate brannte ein gewaltiges Lagerfeuer, dessen Flammen fast bis zu den ausladenden Bäumen reichten. Ein grob gezimmerter hölzerner Anbau, der wohl als Wetterschutz dienen sollte, verunzierte die vordere Hausfassade. Ich fragte mich, wieso diese Unbekannten nicht einfach das Dach repariert und in die Kate gezogen waren.
    Während ich den seltsamen Schuppen musterte, tauchte ein Mann aus dem Wald auf, der zwei tote Biber hinter sich herschleifte. Er trug zerlumpte, aus unterschiedlichen Lederfetzen zusammengestückelte Kleidung, und auch seine langen Haare und der Vollbart wirkten ziemlich ungepflegt. »Johann-Thomas!«, bellte er mit rauer, kratziger Stimme. »Wo zum Teufel steckst du?« Allerdings schien er gar keine Antwort zu erwarten.
    Er warf die Biber neben die Hirschkadaver, sah kurz in den Holzschuppen, ging zum Feuer hinüber und zog sich bis zur Taille aus. Die robuste Statur war die eines Mannes,
der sein ganzes Leben in der freien Natur der Berge verbracht hatte. Die Wildnis hatte den Körper dieses Fallenstellers – denn dafür hielt ich ihn – gestählt. Wenn ich den Mann auch nicht kannte, so doch Menschen seiner Art. Diese schmutzverkrusteten Überbleibsel aus einer anderen Zeit streiften überall in der Welt in unbesiedelten Gebieten umher und lebten wie die Könige unter den anderen haarigen Wildtieren, von denen sie sich ernährten. Die Menschen, die von der Zivilisation die Nase voll hatten, sahen solche Aussteiger gern in romantischem Licht, doch der Blick auf die grässliche Speisekammer, die drüben am Seil baumelte, hatte mich davon überzeugt, dass das hier kein »edler Wilder« war. Dieser Kerl brachte Tiere nicht um, um sich die nötige Nahrung zu beschaffen, sondern weil er das Töten genoss.
    Als der Wind sich drehte, traf mich der widerliche Gestank verwesenden Fleisches wie ein Schlag ins Gesicht. Er verstärkte die leichte Übelkeit, die mir nach dem Schlag auf den Hinterkopf in Poy Sippi immer noch zu schaffen machte, so sehr, dass ich würgen musste und mich fast übergeben hätte. Mit Müh und Not schaffte ich es, den Mageninhalt bei mir zu behalten – schließlich wollte ich den Mann nicht aus den Augen lassen. Von da an atmete ich nur noch durch den Mund.
    »Johann-Thomas!«, brüllte er erneut, inzwischen leicht verärgert. »Es wird schon dunkel. Du weißt, was los ist, wenn ich dich suchen gehen muss!«
    Ich wägte meine Möglichkeiten ab. Einerseits wollte ich nicht die ganze Nacht in meinem Versteck ausharren, andererseits traute ich diesem Kerl nicht über den Weg. Ich sah zu, wie er ein Stück von dem ekelhaften Hirschfleisch
abschnitt, es mit einem Stock durchbohrte und ins Feuer hielt. Wenig später zog er es wieder heraus, wedelte damit herum, um die Flammen zu löschen, und steckte den fast verkohlten Brocken in den Mund. Die Art, wie er mit vorgestrecktem Bauch einherstolzierte, und sein ganzes Verhalten ließen darauf schließen, dass er einen Fremden nicht gerade herzlich empfangen würde. Und über diesen »Johann-Thomas« wusste ich rein gar nichts.
    Gehen oder bleiben? Zumindest wollte ich einiges in Erfahrung bringen, ehe ich von hier aufbrach. Also stand ich auf, trat ins Licht und grüßte höflich, blieb sicherheitshalber aber auf der anderen Seite des Lagerfeuers stehen. Aus dieser Nähe stank das verwesende Wildbret wie ein mit

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