Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
gehst du?«
»Ich muss zurück. Aber dir wird nichts geschehen, darauf kannst du dich verlassen.« Ihre Miene wurde kurz nachdenklich. »Ich wünschte, ich könnte dabei sein, wenn
du Epona kennenlernst. Es wird nicht so sein, wie du denkst.«
Sie tätschelte meine Wange ähnlich liebevoll wie vorher die des Pferdes. Einerseits hatte diese Geste etwas unverkennbar Erotisches, andererseits aber auch etwas Mütterliches, was ich als paradox empfand. Danach machte sie sich schnell auf den Heimweg zum Dorf.
Während ich weitere Minuten den Pfad entlangging, umgeben von schnaubenden und schnaufenden Pferden, wuchsen meine bösen Vorahnungen.
Der Mond tauchte die Lichtung in strahlend blaues Licht. In ihrer Mitte stand eine Kate, zu der ein gepflasterter Weg führte. Durch die zugezogenen Vorhänge drang der Lichtschein einer Feuerstelle, und aus dem kleinen Schornstein stieg Rauch auf.
Falls ich auf dem Weg hierher unter irgendeinem Bann gestanden hatte, so war er jetzt gebrochen. In dieser alltäglichen Szenerie lebte gewiss keine Göttin, sondern allenfalls die übliche Dorfhexe. Vermutlich gerade damit beschäftigt, ihre Zaubertränke zu mischen oder irgendetwas in ein geheimnisvolles schwarzes Buch zu kritzeln, wenn ich ins Zimmer trat. Diesen Ort bewohnte kein überirdisches Wesen, da war ich mir sicher. Fast hätte ich mich umgedreht, um den Rückweg anzutreten, doch dann fiel mir Nicoles Bemerkung über Janette ein, die nach wie vor an mir nagte. Wie im Leben hatte Epona von dieser Geschichte erfahren können? Wenn ich den weiten Weg durch den Wald schon auf mich genommen hatte, konnte ich die Gelegenheit zumindest dazu nutzen, das herauszufinden.
Noch ehe ich an der Tür war, öffnete sie sich. Vor dem
Licht, das von der Feuerstelle nach draußen drang, zeichnete sich die Silhouette einer schlanken Frau ab. Sie hatte lange Haare und trug ein loses, leicht durchsichtiges Gewand. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen.
»Seid gegrüßt, Baron Edward LaCrosse von Arentia.« Mit diesen Worten empfing sie mich.
ACHTZEHN
S elbst dreizehn Jahre danach war der Pfad, der zur Kate führte, noch da – von Pflanzen überwuchert, aber leicht passierbar. Pollen und Insekten tanzten in der Abendsonne. Und immer noch war der Wald rechts und links des Wegs der dichteste und undurchdringlichste, den ich je gesehen hatte. Allerdings waren die seltsamen Pferdewesen verschwunden, die einst so unglaublich mühelos, schnell und anmutig durch das Gehölz galoppiert waren. Vielleicht traten ihre Geister aber auch nur nachts in Erscheinung.
Meine Stute warf den Kopf zurück und schnaubte. Die Ironie des Schicksals brachte mich zum Lächeln: Seinerzeit hatte ich mich zu Fuß auf den Weg zur Königin der Pferde gemacht, während ich die Trümmer ihres Königreichs nun zu Pferd erforschte.
Wir hatten etwa die halbe Strecke zurückgelegt, als ich auf dem schlammigen Boden neben einem Tümpel auf etwas Unerwartetes stieß: einen frischen menschlichen Fußabdruck. Ich stieg vom Pferd, um ihn zu untersuchen. Es war der Abdruck einer Mokassinsohle; der Größe nach musste der Schuh einem Erwachsenen gehören. Im selben Augenblick hörte ich in der Ferne einen lauten Ruf. Es war kein Aufschrei oder erschrockenes Gebrüll, klang
vielmehr so, als wollte jemand auf sich aufmerksam machen.
Mein Pferd schnaubte nervös, was ich ihm nicht verübeln konnte. Auch ich hatte Fußspuren im Schlamm hinterlassen, allerdings fielen sie nicht sonderlich auf, und ich bemühte mich auch nicht, sie zu verbergen. Doch es schien mir angeraten, die Lage vorsichtig zu erkunden, deshalb führte ich das Pferd so weit in den Wald hinein, wie es das überaus dichte Gestrüpp zuließ. Während ich beruhigend auf die Stute einsprach, band ich sie an einer nicht einsehbaren Stelle an einem Baum fest und gab ihr Beeren, die ich im Vorbeigehen von einem Busch gepflückt hatte. Danach schlich ich zurück zur Baumgrenze am Rande des Pfads und versteckte mich dort. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, hier auf einen anderen Menschen zu stoßen. Doch solange ich nicht wusste, wer oder was mich erwartete, konnte ich nicht einfach zu der alten Kate gehen. Also übte ich mich in Geduld.
Und die brauchte ich auch. Erst in der Abenddämmerung wagte ich es weiterzuziehen. Leise bahnte ich mir den Weg durch das Gestrüpp, bis ich die Überreste von Eponas Kate schließlich vor mir liegen sah. Unterwegs vernahm ich noch mehrmals Rufe, jeweils an unterschiedlichen
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