Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
schoss in hohem Bogen Blut aus seinem verstümmelten Handgelenk. Mit gezücktem Schwert ging ich zu ihm herüber und sprach ihn laut an. Als er nicht reagierte, stupste ich ihn mit dem Stiefel an. »He!«
Er erstarrte und rührte sich nicht mehr. Das kam so plötzlich, dass ich zusammenfuhr. Das einzige Lebenszeichen war das stete Pumpen des Blutes, das aus seinem Handgelenk spritzte. »Ich will dich nicht töten«, sagte ich. »Tut mir leid, dass es so weit gekommen ist. Wenn du mich lässt, helfe ich dir.«
Das ungleiche Augenpaar in dem entstellten Gesicht starrte ins Leere, ohne irgendetwas zu begreifen. Schließlich wandte der Junge den Kopf, sah seinen Vater bäuchlings auf den eigenen Gedärmen liegen, begann zu kreischen und stürzte sich erneut mit unbändiger Wut auf mich.
Allerdings war er schwächer als ich, außerdem war ich auf seinen Angriff vorbereitet. Während ich schnell zur Seite trat, ließ ich mein Schwert mit einem harten, gezielten Schlag auf seinen Nacken niedergehen. Sein Körper schlug auf dem Boden auf, gefolgt von seinem Kopf, der eine Sekunde später einige Fuß entfernt aufprallte.
Lange blieb ich zwischen den beiden Toten stehen. Mir war so, als wollte mir gleich das Herz aus dem Leib springen. Nachdem sich mein Herzschlag etwas beruhigt hatte, steckte ich mein Schwert in die Scheide und setzte mich auf die gegenüberliegende Seite des Feuers. Meine Hände
zitterten, außerdem tat mir der Kopf weh. Schließlich trabte das Pferd um das Feuer herum, um sich neben mich zu stellen – eine Geste, für die ich dankbar war, doch im Augenblick hatte ich andere Dinge im Kopf.
Irgendwann nach Mitternacht warf ich beide Leichen ins Feuer und danach alle Hirschkadaver und sonstigen Überreste, die ringsum verstreut waren. Als der Gestank unerträglich wurde, führte ich das Pferd ein Stück weiter in die windabgewandte Richtung, hockte mich dort ins Gras und behielt das Feuer im Auge. Als der Morgen heraufzog, sackte das Feuer in sich zusammen, und als die Sonne über den Baumwipfeln auftauchte, war davon nur noch heftig qualmende Glut übrig. Jetzt erschien es mir ungefährlich, die alte Kate gründlich zu durchsuchen.
Als ich durch eines der Fenster spähte, wurde mir klar, warum die beiden Männer lieber einen Anbau gezimmert hatten, als ins Haus einzuziehen. Achtlos weggeworfen, türmten sich dort Skelette von Dutzenden, wenn nicht Hunderten toter Tiere. Der Friedhof reichte bis zu den Fenstern und zur Tür. Ich erkannte Knochen von Rotwild, Bären und Bibern, aber auch einige, die ich für Überreste von Menschen hielt. Offenbar hatten Pah-Pah und Johann-Thomas all diese Lebewesen nur als künftiges Bratenfleisch betrachtet. Dieses Gebeinhaus musste über mehrere Jahre hinweg entstanden sein. Das mochte erklären, warum sich in den vergangenen Jahren nicht ein einziger Mensch mit Haus und Hof in diesem Tal angesiedelt hatte.
Schon wieder war mir so übel, dass ich fast gekotzt hätte, doch ich würgte die aufsteigenden Magensäfte hinunter, da ich die Kate trotz ihres ekelhaften Innenlebens
schnell durchsuchen wollte. Also trat ich mehrere Wildskelette zur Seite und bahnte mir einen Weg.
Wie hatte ich mich vor all den Jahren gefühlt, als ich Eponas Domizil zum ersten Mal betreten hatte? Jedenfalls hatte mich das Erlebnis so beeindruckt, dass ich mir die Einrichtung selbst jetzt noch in allen Einzelheiten vorstellen konnte, sobald ich den Friedhof da drinnen ausblendete.
Als ich bis zur Feuerstelle vorgedrungen war, holte ich tief Luft und zwang mich dazu, den Ort wie ein unvoreingenommener Ermittler zu untersuchen, was zwar schwer, aber nicht unmöglich war. Unterhalb der Tiergerippe lagen Eponas Besitztümer fast alle noch dort, wo ich sie zuletzt gesehen hatte, und rotteten vor sich hin. Anscheinend hatten Pah-Pah und Johann-Thomas sich nicht die Mühe gemacht, die Kate zu plündern, bevor sie eine Abfallhalde daraus gemacht hatten.
Nachdem ich den Rand der Feuerstelle von Schmutz und Staub befreit hatte, setzte ich mich an dieselbe Stelle wie damals, als Epona hier Hof gehalten hatte. In ihrem Schaukelstuhl fehlte zwar das sicher längst vermoderte gewebte Sitzkissen, aber wundersamerweise stand der Stuhl immer noch aufrecht da – wie ein Thron, der auf die Rückkehr seiner Königin wartet.
In jener Nacht hatte Epona an der Eingangstür der Kate gestanden und mich mit den Worten empfangen: »Seid gegrüßt, Baron Edward LaCrosse von Arentia.« Und mir kam es so vor, als
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