Das Schwert des Liktors
silbergraue, öligglänzende Metallschloßen zum Vorschein kamen.
»Feuerkugeln«, erklärte Pia. Ihr war offenbar angst und bange geworden.
»Glaubst du, daß noch mehr von deinen Leuten kommen?«
»Wenn wir weitere Inseln passieren. Wenn ein oder zwei einem Küstenboot folgen, dann schließen sich alle an, um sich zu teilen, was zu holen ist. Aber es wird bald das Ufer wieder in Sicht kommen …« Unter ihrem zerlumpten Kittel bebten ihre Brüste, als einer der Dörfler sich die Hände an seinem Mantel abwischte, eine der silbrigen Kugeln nahm und sie in die Schlinge des Doppelbogens einlegte.
»Ist nur wie ein schwerer Stein …«, begann ich. Er spannte die Sehnen bis zum Ohr und ließ los, so daß die Kugel durch die beiden Bögen davonschwirrte. Pia war so ängstlich, daß ich fast erwartete, das Geschoß unterzöge sich im Flug einer Wandlung, würde vielleicht zu einer jener Spinnen, die ich, wie ich noch immer irgendwie glaubte, gesehen hatte, als ich, von der Droge betäubt, in den Netzen dieser Fischer gefangen worden war.
Nichts dergleichen geschah. Die Kugel flog als glänzender Streifen übers Wasser und schlug etwa zwanzig Schritt vor dem Bug des nächsten Bootes auf dem See auf.
Einen Atemzug lang passierte weiter nichts. Dann folgte eine scharfe Detonation, begleitet von einer Feuerkugel und einer Dampffontäne. Etwas Dunkles, offenbar das noch ganze Geschoß, wurde durch die Explosion, die es ausgelöst hatte, emporgeschleudert, nur um sofort wieder niederzufallen, diesmal zwischen die zwei Verfolgerboote. Eine zweite Explosion, nur geringfügig schwächer als die erste, wühlte das Wasser auf und ließ eines der Boote fast vollaufen. Das andere drehte ab. Eine dritte Explosion schloß sich an, dann eine vierte, aber das Geschoß, mochte es anderweitig auch recht wirksam sein, konnte den Booten jedenfalls nicht folgen, wie Hethors Notulen Jonas und mir gefolgt waren. Jede Entladung trug es weiter fort, und nach der vierten war es offenbar verbraucht. Die zwei nachsetzenden Boote blieben zurück, bis sie außer Reichweite waren, aber ich bewunderte ihren Mut, die Jagd überhaupt fortzusetzen.
»Die Feuerkugeln fangen im Wasser Feuer«, erklärte mir Pia.
Ich nickte. »Das seh’ ich.« Ich suchte für meine Füße einen festen Stand auf den Schilfgarben.
Es ist keine Kunst, mit auf dem Rücken gebundenen Händen zu schwimmen – Drotte, Roche, Eata und ich übten das oft, indem wir die Hände am Hintern verschränkt hielten, und ich könnte so wohl eine ganze Zeit über Wasser bleiben; aber um Pia war ich besorgt, also forderte ich sie auf, sie solle so weit wie möglich nach vorne gehen.
»Aber dann kann ich Euch nicht losbinden.«
»Das kannst du sowieso nicht, solange sie uns beobachten«, flüsterte ich. »Geh nach vorn! Wenn dieses Schiff auseinanderbricht, klammere dich an ein Schilfbüschel. Sie gehn nicht unter. Keine Widerrede mehr!«
Die Männer im Bug hielten sie nicht auf, und sie blieb erst stehen, als sie dort angelangt war, wo ein Zopf aus geflochtenem Schilf als Vordersteven des Schiffes aufragte. Ich holte tief Luft und sprang über Bord.
Ich hätte, wenn ich gewollt hätte, eintauchen können, ohne große Wellen zu schlagen, aber ich zog lieber die Knie ans Kinn, um kräftig zu spritzen, und sank dank meiner schweren Stiefel viel tiefer, wie wenn ich zum Schwimmen nackt gewesen wäre. Genau das hatte mir Sorgen bereitet; als der Bogenschütze des Hetmans seine Feuerkugel abgeschossen hatte, waren bis zur Explosion einige Momente verstrichen. Ich wußte, ich hatte nicht nur beide Männer klitschnaß gemacht, sondern auch sämtliche Kugeln auf dem ölgetränkten Tuch ordentlich naßgespritzt – aber ich konnte mir nicht sicher sein, daß sie hochgegangen wären, ehe ich wieder an die Oberfläche käme.
Das Wasser war kalt und wurde weiter unten immer kälter. Die Augen öffnend, sah ich ein herrliches Kobaltblau, durch das ich wirbelte, wobei es immer dunkler wurde. Mich befiel der blinde Drang, die Stiefel abzustreifen; aber das hätte mich rasch nach oben getrieben, so daß ich mich lieber dem wunderbaren Blau und der Erinnerung an die dauerhaften Leichen widmete, die ich auf den Müllhalden zu Saltus gesehen hatte – Leichen, die immerfort durch den blauen Strudel der Zeit fielen.
Langsam drehte ich mich mit kleinen Bewegungen unter Wasser herum, bis ich über mir den braunen Rumpf vom Schiff des Hetmans ausmachen konnte. Dieser braune Fleck und ich lagen uns
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