Das Schwert des Liktors
zunächst scheinbar regungslos gegenüber, wobei ich unter ihm lag wie ein Toter unter einem Aasvogel, der, vom Wind auf leichten Schwingen getragen, unmittelbar unter den Sternen zu gleiten scheint.
Mit stechenden Lungen begann ich nun zu steigen.
Als wär’s ein Signal, vernahm ich die erste Explosion, einen dumpfen, fernen Knall. Ich schwamm in Froschmanier empor, wobei ich eine zweite und dritte Explosion hörte, die jedesmal lauter dröhnte.
Nachdem ich mit dem Kopf die Wasseroberfläche durchstoßen hatte, bemerkte ich, daß das Heck vom Schiff des Hetmans aufgerissen war, so daß die Schilfgarben wie struppige Reisigbesen abstanden. Eine kleinere Detonation zu meiner Linken betäubte mich schier und peitschte mir einen Wasserguß ins Gesicht, der wie Hagel auf der Haut stach. Der Bogenschütze des Hetmans zappelte nicht weit von mir, aber der Hetman selbst (noch immer, wie ich entzückt feststellte, Terminus Est haltend), Pia und die anderen klammerten sich an die Reste des Bugs, die dank der Schwimmfähigkeit des Schilfs über Wasser trieben, obschon der untere Teil versunken war. Ich zerrte mit den Zähnen an den Schnüren um meine Handgelenke, bis zwei Eiländer mir auf ihr Boot halfen und einer davon mir die Fesseln durchschnitt.
Die Leute vom See
Pia und ich verbrachten die Nacht auf einer der treibenden Inseln, wo ich, der ich Thecla so oft in Besitz genommen hatte, die ohne Ketten, aber gefangen war, nun Pia in Besitz nahm, die noch in Ketten, aber frei war. Sie lag nachher auf meiner Brust und weinte vor Freude – wohl nicht so sehr vor der Freude, die sie an mir gehabt hatte, als vor Freude über ihre Befreiung, obgleich ihre Eiländer, die bis auf das wenige, das sie von den Leuten vom Ufer erstanden oder plünderten, kein Metall und somit keinen Schmied zum Abnehmen der Schellen hatten.
Ich habe mir von Männern, die viele Frauen gekannt haben, sagen lassen, daß sie schließlich Ähnlichkeiten in der Liebe zwischen bestimmten Damen bemerken, und zum ersten Mal hat sich das nun in meiner eigenen Erfahrung bestätigt, denn Pia mit ihrem hungrigen Mund und dem geschmeidigen Körper hat mich an Dorcas erinnert. Allerdings war es in gewisser Hinsicht auch unzutreffend; Dorcas und Pia glichen sich in der Liebe wie zuweilen die Gesichter zweier Schwestern, aber ich hätte nie die eine mit der anderen verwechselt.
Als wir zur Insel gelangten, war ich zu erschöpft gewesen, um all das Wunderbare an ihr zu würdigen, und die Nacht war schon angebrochen. Selbst jetzt kann ich mich noch daran erinnern, das kleine Boot ans Ufer gezogen zu haben und in eine Hütte gegangen zu sein, worin einer unserer Retter ein winziges Feuer aus Treibholz entfacht und ich Terminus Est geölt habe, das die Eiländer dem gefangenen Hetman abgenommen und mir zurückgegeben haben. Aber als die Urth ihr Gesicht wieder der Sonne zukehrte und ich, die Hand am grazilen Stamm einer Weide gestützt, die ganze Insel unter meinen Füßen schaukeln spürte, wie wurde mir das wundersam zumute!
Unsere Gastgeber kochten uns zum Frühstück Fisch; bevor wir aufgegessen hatten, traf ein Boot mit zwei weiteren Eiländern ein, die mehr Fisch und ein Wurzelgemüse, das mir fremd war, mitbrachten. Es wurde in der Glut gebraten und heiß verzehrt. Der Geschmack der Knollen ließe sich nur als kastanienartig beschreiben. Drei weitere Boote kamen an, sodann eine Insel mit vier Bäumen und bauchigen, rechteckigen Segeln, die im Geäst eines jeden aufgezogen waren, so daß ich, als ich sie aus der Ferne sah, im ersten Moment an eine Flottille dachte. Ein älterer Mann war der Kapitän, sozusagen das einzige Oberhaupt, das die Eiländer kannten. Er hieß Llibio. Als Pia mich ihm vorstellte, umarmte er mich wie ein Vater seinen Sohn, was mir bisher noch nie widerfahren war.
Als wir uns trennten, entfernten sich alle übrigen, Pia eingeschlossen, so weit, daß wir eine vertrauliche Unterredung führen konnten, wenn wir nicht gerade schrien – einige Männer waren in die Hütte gegangen, die übrigen (es waren insgesamt an die zehn) zur anderen Seite der Insel.
»Ich habe gehört, du bist ein großer Krieger und Menschenmörder«, begann Llibio. Ich erklärte ihm, ich sei fürwahr ein Menschenmörder, aber kein großer.
»Das stimmt. Jeder schlägt zurück – und tötet. Aber den Sieg erlangt man nicht, indem man andere tötet, sondern indem man gewisse Teile seiner selbst abtötet.«
Um ihm zu zeigen, daß ich verstünde,
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