Das Schwert des Liktors
Frage.
Ich war tief in Gedanken über unser Vorgehen versunken, als die Wolken sich abermals teilten und ich bemerkte, daß wir entlang des Ufers segelten, das in steilen Klippen rechts von uns emporstieg. Vor uns ragte eine Halbinsel mit einem noch höheren Kliff in den See hinein. Ich ging zur Spitze des Eilands, um den Mann, der dort Stellung bezogen hatte, zu fragen, ob darauf die Burg stünde. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Wir fahren herum.«
Das taten wir denn auch. Die Taue aller Segel wurden gelöst und an anderen Ästen festgezurrt. Seitenschwerter, mit Steinen beschwert, wurden auf einer Inselseite ins Wasser gesenkt, während drei Männer sich an der Pinne abmühten, um das Ruder umzulegen. Mir wurde plötzlich klar, daß Llibio klugerweise diesen landnahen Kurs angeordnet haben mußte, um der Aufmerksamkeit von Spähern zu entgehen, die den See vielleicht beobachteten. War das der Fall, liefen wir dennoch Gefahr, doch ausgemacht zu werden, sobald die Halbinsel nicht mehr zwischen uns und der Burg läge. Auch kam mir der Gedanke, daß der Erbauer der Burg, da er sich nicht auf dieses hohe Felskliff, das wir nun umrundeten und das wirklich fast unstürmbar schien, gesetzt hatte, wohl einen noch sichereren Standort gefunden hatte.
Dann glitten wir um die Landspitze und sichteten unser Ziel nicht mehr als vier Ketten voraus am Ufer – einen noch höher und jäher aufstrebenden Fels, auf dessen Gipfel eine Mauer und ein Turm trotzten, der die unvorstellbare Form eines Riesenpilzes hatte.
Ich traute meinen Augen nicht. Auf der mächtigen, sich verjüngenden Säule, gewiß ein Rundturm aus blankem Stein, lag obenauf ein linsenartiges Gebilde aus Metall von zehnfachem Durchmesser und mindestens so massiv wie der eigentliche Turm.
Überall auf unserer Insel und in den Booten und auf den übrigen Inseln raunten die Männer einander zu und deuteten. Offenbar war ihnen dieser unglaubliche Anblick genauso neu wie mir.
Das fahle Licht des Mondes, Kuß der jüngeren Schwester auf die Wange der sterbenden älteren, schien auf die Oberseite dieser gewaltigen Scheibe. Darunter funkelten in ihrem tiefen Schatten orangefarbene Lichter. Sie bewegten sich, glitten auf oder nieder, obwohl sich die Bewegung so langsam vollzog, daß ich sie erst nach längerem Hinsehen gewahrte. Schließlich stieg ein Licht nach oben, bis es offenbar unmittelbar unter der Scheibe angelangt war, wo es dann verschwand; ehe wir ans Ufer gelangten, erschienen zwei weitere an derselben Stelle.
Ein kleiner Strand lag im Schatten des Kliffs. Llibios Insel war jedoch auf Grund gestoßen, ehe wir ihn erreichten, so daß ich abermals ins Wasser springen mußte, Terminus Est diesmal über dem Kopf tragend. Glücklicherweise herrschte hier keine Brandung und war der Regen, der sich zwar drohend angekündigt hatte, noch nicht angebrochen. Ich half einigen der Männer vom See beim Landen ihrer Boote, während andere ihre Inseln an großen Steinen vertäuten.
Nach meiner Wanderung durchs Gebirge wäre mir der schmale, tückische Pfad nicht schwergefallen, hätte ich ihn nicht im Dunkeln erklimmen müssen. Nun wäre ich lieber den Abstieg über die vergrabene Stadt zu Casdoes Häuschen noch einmal angegangen, obwohl er fünfmal länger gewesen war.
Als wir die Spitze erreicht hatten, trennte uns noch ein ganzes Stück Weges von der Mauer, die ein Hain struppiger Kiefern verdeckte. Ich sammelte die Eiländer um mich und erkundigte mich – eine rhetorische Frage –, ob sie wüßten, woher das Luftschiff über der Burg gekommen sei. Nachdem sie mir versichert hatten, sie wüßten’s nicht, erklärte ich, daß ich es wisse (was stimmte, denn Dorcas hatte mich einst vor ihnen gewarnt, obgleich ich noch nie ein solches Vehikel zu Gesicht bekommen hatte) und daß ich aufgrund seiner Anwesenheit besser die Lage erkunden sollte, ehe wir zum Angriff übergingen.
Keiner sagte etwas, aber ich spürte ihr Gefühl der Hilflosigkeit. Sie hatten geglaubt, einen Helden gefunden zu haben, der sie in den Kampf führen würde, und verlören ihn nun“ bevor die Schlacht geschlagen wäre.
»Ich gehe rein, wenn ich kann«, eröffnete ich ihnen. »Ich komme zurück, wenn möglich, und lasse euch alle Tore offen, die ich aufwerfen kann.«
Llibio fragte: »Aber angenommen, du kannst nicht zurück. Wie sollen wir wissen, daß der Augenblick, unsere Messer zu ziehen, gekommen ist?«
»Ich gebe euch ein Signal«, sagte ich und zerbrach mir den Kopf darüber, was
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