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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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wäre, falls es sich um einen wahren Menschen gehandelt hätte, kleinwüchsig und stämmig gewesen. Die beiden anderen waren einen guten Kopf größer als ich, hochgeschossen wie Beglückte. Die Maske, die alle drei trugen, verlieh ihnen die reifen, vornehmen Züge von Männern mittleren Alters mit würdigem, bedachtsamem Gepräge; freilich entging mir nicht, daß die Augen, die durch die Schlitze in den Masken der beiden Hochwüchsigen blickten, größer waren als Menschenaugen, und daß die kleinere Gestalt überhaupt keine Augen hatte, so daß sich dort nur Schwärze zeigte. Gewandet waren sie alle drei in weißen Roben.
    »Euer Gnaden! Hier ist ein großer Freund von uns, Meister Severian von den Folterern. Meister Severian, darf ich die ehrenwerten Hierodulen Ossipago, Barbatus und Famulimus vorstellen. Es ist das Verdienst dieser hohen Herrschaften, Erleuchtung über die Menschheit zu bringen – hier vertreten von Baldanders und nun auch dir selbst.«
    Derjenige, den Dr. Talos als Famulimus vorgestellt hatte, setzte zum Sprechen an. Seine Stimme klang durchaus menschlich, war aber so volltönend und melodisch, wie ich’s bei noch keiner echten Menschenstimme gehört hatte, so daß mir war, als lauschte ich der Weise eines zum Leben erwachten Saiteninstruments. »Willkommen«, rief die singende Stimme. »Es ist uns die allerhöchste Freude, dich hier begrüßen zu dürfen, Severian. Du beugst höflich dein Haupt vor uns, wir aber beugen das Knie vor dir.« Was er und die anderen dann auch taten.
    Nichts hätte mich mehr erstaunen können, so daß es mir gehörig die Sprache verschlug.
    Der andere große Cacogentile, Barbatus, sprach, um die peinliche Pause manierlich zu überbrücken. Seine Stimme war tiefer als die des Famulimus und hatte, wie mir schien, etwas Soldatisches an sich. »Du bist uns willkommen – höchst willkommen, wie mein werter Freund sagte und wir alle zu zeigen hofften. Aber deine eigenen Freunde müssen draußenbleiben, solange wir hier sind. Das weißt du selbstverständlich. Ich sage es nur der Form halber.«
    Der dritte Cacogentile sagte in einem Ton, der so tief war, daß man ihn mehr spürte als hörte: »Spielt keine Rolle«, und kehrte sich um, als befürchtete er, ich sähe die leeren Augen hinter den Schlitzen seiner Maske, und blickte heuchlerisch zum schmalen Fenster hinter sich hinaus.
    »Vielleicht nicht«, meinte Barbatus. »Ossipago weiß das schließlich am besten.«
    »Du hast also Freunde mitgebracht?« flüsterte Dr. Talos. Es war seine Eigenart, daß er selten zu einer Gruppe sprach wie die meisten Menschen, sondern sich entweder an einen einzelnen darin richtete, als wäre derjenige allein, oder aber wie zu einer tausendköpfigen Versammlung redete.
    »Ein paar von den Eiländern haben mich begleitet und geführt«, erwiderte ich, um der Sache das beste Gesicht zu geben. »Du wirst sie kennen. Sie leben auf treibenden Schilfinseln im See.«
    »Sie erheben sich gegen dich!« sagte Dr. Talos zum Riesen. »Ich habe dich gewarnt.« Er stürzte zum Fenster, aus dem das Wesen namens Ossipago zu sehen vorgab, drängte ihn mit der Schulter zur Seite und spähte in die Nacht hinaus. Sodann kniete er sich vor den Cacogentilen nieder, ergriff seine Hand und küßte sie. Diese Hand war unverkennbar ein Handschuh aus einem weichen Material, fleischfarben bemalt, worin etwas anderes als eine Hand steckte.
    »Ihr werdet uns helfen, Hochwürden, nicht wahr? Ihr habt gewiß Phantasien an Bord. Umzieht unsere Mauern mit Phantomen, und wir sind für ein ganzes Jahrhundert sicher.«
    In seinem bedächtigen Ton sagte Baldanders: »Severian wird der Sieger sein. Warum hätten sie sonst vor ihm gekniet? Obschon er vielleicht stirbt und wir nicht. Du kennst ihre Art, Doktor. Die Plünderung mag dazu beitragen, das Wissen zu verbreiten.«
    Dr. Talos fuhr ihn wütend an. »Hat’s das vorher getan? Ich bitte dich!«
    »Wer kann das sagen, Doktor?«
    »Du weißt, das hat es nicht. Sie sind die gleichen dummen, abergläubischen Rohlinge, die sie immer gewesen sind!« Er wirbelte herum. »Edle Hierodulen, antwortet mir! Ihr wißt’s, wenn es sonst niemand weiß.«
    Famulimus gestikulierte, und ich wurde die Wahrheit hinter seiner Maske nie deutlicher gewahr als in jenem Augenblick, denn kein menschlicher Arm hätte eine solche Bewegung ausführen können, die weder Zustimmung noch Ablehnung ausdrückte, weder verärgert oder besänftigend wirkte.
    »Ich will nicht über all das sprechen, was

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