Das Schwert des Liktors
kann.«
Dr. Talos versetzte: »Diese Ungetüme, diese Scheusale tun nichts für uns. Du hast sie gesehen – du weißt, was sie sind. Als mein armer Patient im Theater des Hauses Absolut die Beherrschung verlor, brachten sie ihn mit ihren Pistolen schier um.«
Der Riese rutschte auf seinem gewaltigen Stuhl hin und her. »Du brauchst kein Mitleid zu heucheln, Doktor. Steht dir schlecht zu Gesicht. Possen treiben vor ihren Augen …« Seine mächtigen Schultern hoben und senkten sich. »Hätt’ ich mich nur nicht dazu hinreißen lassen. Sie haben sich bereit erklärt, es nun zu vergessen.«
Barbatus entgegnete: »Es wäre uns ein leichtes gewesen, deinen Schöpfer in jener Nacht zu töten, wie du weißt. Wir haben ihn nur ein bißchen verbrannt, um ihm Einhalt zu gebieten.«
Nun fiel mir wieder ein, was der Riese geäußert hatte, als wir uns im Wald hinter dem Garten des Autarchen trennten – daß er des Doktors Herr sei. Ohne lange zu überlegen, was ich täte, packte ich die Hand des Doktors. Die Haut fühlte sich so warm und lebendig wie meine eigene an, jedoch sonderbar trocken. Im nächsten Moment entwand er sie meinem Zugriff.
»Was bist du?« fuhr ich ihn an, und da er stumm blieb, wandte ich mich an die Wesen, die sich Famulimus und Barbatus nannten. »Ich habe einmal einen Mann gekannt, der nur zum Teil aus menschlichen Fleisch bestanden hat …«
Anstatt zu antworten, richteten sie den Blick auf den Riesen, und obgleich ich wußte, daß ihre Gesichter nur Masken waren, spürte ich die Kraft ihres Begehrens.
»Ein Homunkulus«, knurrte Baldanders.
Masken
Der Regen kam, während er sprach, ein kalter Regen, der die rohen, grauen Steine der Burg mit Millionen eisigen Fäusten behämmerte. Ich setzte mich und klemmte Terminus Est zwischen die Knie, um das Schlottern abzustellen.
»Ich hatte mir schon gedacht«, sagte ich so gefaßt, wie ich konnte, »daß die Eiländer, die mir erzählten, ein schmächtiger Mann habe für die Arbeit an diesem Bau bezahlt, vom Doktor sprachen. Allerdings sagten sie auch, du, der Riese, wärst später gekommen.«
»Ich war der schmächtige Mann. Der Doktor kam nachher.«
Ein Cocogentiler zeigte seine triefende Fratze am Fenster und verschwand wieder. Vermutlich hatte er Ossipago eine Meldung überbracht, obwohl ich nichts gehört hatte. Ossipago sprach, ohne sich umzudrehen. »Wachstum hat seine Nachteile, ist aber für eure Rasse die einzige Möglichkeit zur Wiederherstellung der Jugend.«
Dr. Talos sprang auf die Füße. »Wir werden sie überwinden! Er ist bei mir in besten Händen.«
»Notgedrungen«, versetzte Baldanders. »Es war kein anderer da. Ich habe mir einen eigenen Arzt gemacht.«
Ich rang noch immer darum, meine Fassung wiederzuerlangen, während ich vom einen zum anderen blickte; in ihrem Aussehen oder Gebaren hatte sich nichts geändert. »Aber er schlägt dich«, sagte ich. »Ich hab’s gesehn.«
»Ich habe einmal ein Gespräch zwischen dir und der kleineren Frau aufgeschnappt. Du hast einer anderen Frau, die du geliebt hast, den Garaus gemacht. Dennoch bist du ihr Sklave gewesen.«
Dr. Talos erklärte: »Ich muß ihn auf die Beine bringen, weißt du. Er braucht Bewegung, und das gehört zu meinen Aufgaben. Wie ich höre, hat der Autarch – dessen Wohlbefinden das Glück seiner Untertanen ist – ein Isochronon in seinem Schlafgemach, ein Geschenk eines anderen Autarchen von jenseits dieser Welt. Vielleicht der Herrscher dieser hohen Herren hier. Ich weiß es nicht. Jedenfalls fürchtet er, mit einem Dolch an der Kehle zu erwachen, so daß er niemand um sich duldet, wenn er schläft. Dieses Gerät mißt die Wachen der Nacht. Wenn der Morgen naht, weckt es ihn. Wie kann er, der Herrscher der Republik, nur dulden, von einer bloßen Maschine im Schlaf gestört zu werden? Baldanders hat mich zu seinem Arzt gemacht. Würdest du sagen, ich sei mit der Untugend falscher Bescheidenheit behaftet?«
Ich brachte sogar ein Lächeln zustande, als ich kopfschüttelnd verneinte.
»Dann muß ich dir gestehen, daß ich für meine Tugenden nichts kann. Baldanders machte mich klugerweise zu all dem, was er selbst nicht ist, um seine Mängel auszugleichen. Ich bin zum Beispiel nicht geldgierig. Das ist ein großer Vorzug für den Patienten bei seinem Leibarzt. Und ich bin meinen Freunden treu, weil er davon der erste ist.«
»Dennoch«, sagte ich, »hat’s mich immer gewundert, daß er dich nicht einfach erschlägt.« Es war so kalt im Zimmer,
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