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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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lebenserhaltende Kraft im Schwinden begriffen war.
    Die Frau schien noch nichts zu merken. Sie sagte: »Es hat in der letzten Nacht drei in der Nähe der Arena verbrannt und einen heut’ abend bei den Vincula, erzählt man. Und nun Jurmin. Es ist auf der Suche nach jemand, wird erzählt.«
    Mir kamen die Notulen in den Sinn und die Erscheinung, die entlang der Mauern des Vorzimmers vom Haus Absolut geschlichen war, und ich entgegnete: »Ich glaub’, ’s hat ihn gefunden.«
    Ich ließ sie los und drehte mich immer wieder herum, um festzustellen, wo es sei. Die Hitze wurde stärker, aber es war kein Lichtschein zu entdecken. Ich war versucht, die Klaue hervorzuziehen, um mit ihr die Gassen auszuleuchten; dann fiel mir jedoch ein, wie sie das, was unter der Mine der Menschenaffen schlief, geweckt hatte, und fürchtete, ihr Schein würde diesem Etwas lediglich ermöglichen, meinen Standort zu ermitteln – was immer es auch sein mochte. Ich war mir nicht sicher, ob mein Schwert dagegen wirksamer wäre als gegen die Notulen, als Jonas und ich ihnen durch den Zedernhain entflohen waren; nichtsdestoweniger zückte ich es.
    Fast im selben Augenblick ertönten Hufgeklapper und ein Schrei, denn zwei Dimarchi donnerten keine zweihundert Schritt entfernt um eine Ecke. Hätte ich mehr Muße gehabt, hätte ich darüber gelacht, daß sie den Gestalten, die ich mir vorgestellt hatte, so sehr entsprachen. Nun jedoch zeigte sich im funkelnden Schein ihrer Lanzen etwas Dunkles, Buckliges und Gebücktes, das zwischen uns und ihnen stand.
    Es wandte sich dem Licht zu und schien sich zu öffnen wie eine Blüte, wenn auch fast so schnell, daß das Auge nicht folgen konnte, wobei es immer dünner wurde, bis es wie ein Gebilde aus glimmendem Flor wirkte, das jedoch etwas Reptilienhaftes an sich hatte gleich jenen vielfarbigen Nattern aus den Urwäldern des Nordens, die Reptilien sind, obgleich sie aussehen wie bunte Emailarbeiten. Die Reittiere der Soldaten stiegen auf die Hinterhand und scheuten schnaubend, aber einer der Männer schleuderte geistesgegenwärtiger als ich seine Lanze in das Herz dieses Ungetüms, das ihm gegenüberstand. Ein Lichtschein flammte auf.
    Die Wirtin vom Entennest kippte gegen mich, und um sie nicht zu verlieren, stützte ich sie mit meinem freien Arm. »Ich glaube, es sucht Körperwärme«, erklärte ich ihr. »Es sollte auf die Renner losgehen.«
    Während ich noch sprach, kehrte es sich uns zu.
    Wie gesagt, sah es von hinten, als es sich zum Dimarchi öffnete, wie eine reptilienhafte Blüte aus. Dieser Eindruck verfestigte sich nun, als wir es in seiner ganzen Gräßlichkeit und Pracht schauten, aber es kamen noch zwei andere hinzu. Der erste war das Gefühl einer intensiven, unirdischen Hitze; noch wirkte es wie ein Reptil, ein Reptil allerdings, das glühte, wie es auf Urth unbekannt war, als wäre irgendeine Wüstenschlange auf ein Schneefeld gefallen. Der zweite Eindruck war der von Fetzen, die in einem Wind flatterten, der nicht aus Luft bestand. Noch wirkte es wie eine Blüte, eine Blüte allerdings, deren weiße, hellgelbe und feuerrote Blumenblätter von einem mächtigen Sturm, der ihrem eigenen Herzen entsprang, zerfranst worden waren.
    All diese Eindrücke waren von einer Grauenhaftigkeit, wie ich sie nicht beschreiben kann. Sie raubten mir alle Entschlossenheit und Kraft, so daß ich einen Moment lang weder zu fliehen noch anzugreifen vermochte. Die Kreatur und ich waren scheinbar in einer Zeitmatrix verankert, die mit nichts, was vorher oder seitdem vergangen war, etwas gemein hatte, und die, da sie einzig uns beide starr in sich hielt, durch nichts verändert werden könnte.
    Ein Schrei brach den Bann. Eine zweite Dimarchigruppe war in die Straße hinter uns galoppiert und trieb nun angesichts der Kreatur seine Renner zum Angriff an. Binnen eines Atemzugs waren sie herangestürmt, und nur durch die Fürsprache der heiligen Katharina wurden wir nicht niedergetrampelt. Falls ich je den Mut der Soldaten des Autarchen angezweifelt hatte, verwarf ich diesen Zweifel nun, denn beide Gruppen fielen über das Ungetüm her wie Hunde über einen Hirschen.
    Es war vergebens. Ein blendender Blitz zuckte auf, und greuliche Hitze ergoß sich. Die halb ohnmächtige Frau haltend, eilte ich über die Straße davon.
    Ich wollte dort abbiegen, wo die Dimarchi hergekommen waren, aber in meiner Panik (und es war nicht nur meine, sondern auch die Panik der kreischenden Thecla in meinem Geist) umrundete ich die Ecke zu

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