Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
nachdem Ivain seine Axt geholt hatte, zu den anderen zurück.
Mir hämmerte noch lange das Herz in der Brust. Und das nicht vor Anstrengung. Es war nun schon der zweite Totschlag auf dieser Reise, in den ich verwickelt war. Ich schielte zu Ivain hinüber, der gleichmütig neben uns herstapfte, und bemerkte, dass er noch eine zweite Wurfaxt im Gürtel trug.
»Was für eine Waffe ist das?«, fragte ich ihn.
» Francisca. Die gehörten meinem Urgroßvater.« Er zog den Rotz durch die Nase und spuckte in hohem Bogen ins Gras. »Heutzutage kann keiner mehr damit umgehen.«
»Ich würde es gern lernen«, sagte ich.
Er knurrte etwas, das man weder als Zustimmung noch als Ablehnung werten konnte. Ein Windstoß fuhr ihm ins Haar, entblößte seine schrecklich vernarbte Gesichtshälfte. Die sah so unmenschlich aus, dass ich nicht weiter nachfragen mochte.
Robert befahl allen, die Augen offen zu halten. Aber es verfolgte uns niemand. Trotzdem nahmen wir die Beine unter die Arme, um die Gegend schleunigst hinter uns zu lassen.
Eines Tages erreichten wir das Meer. Ein überwältigender Anblick für einen, der noch nie aus der Umgebung von Hauteville herausgekommen war. Diese unglaubliche Weite, die hauchdünne Linie, wo Himmel und Ozean sich trafen, der Wind im Haar, der warme Sand zwischen den Zehen. Eine Wohltat, endlich mal die Stiefel auszuziehen. Ich ließ mich nieder und konnte den Blick nicht von den sanften Wogen wenden, den kreischenden Seevögeln und den kleinen Fischerbooten weit draußen auf den blauen Fluten.
»Woran denkst du?«, rief Gerlaine fröhlich, die ebenfalls mit nackten Füßen und sichtlichem Vergnügen in den ausrollenden Wellen planschte. »Sag bloß nicht, du hast Heimweh.«
Ich antwortete nicht, denn sie hätte mich ausgelacht, wenn sie gewusst hätte, was mich bewegte. Ich konnte einfach nicht auf dieses Meer hinausblicken, ohne an meinen verschollenen Vater zu denken und mir zu wünschen, sein Drachenschiff würde um die ferne Landzunge biegen, um mich auf große Fahrt mitzunehmen.
Gerlaine stand gebückt im Flach, schöpfte Meerwasser mit den Händen und spülte es sich übers Gesicht. Sie hatte alles abgelegt außer einem leichten Unterkleid, das der Wind ihr eng an den Leib drückte, so dass ihre Formen nicht zu übersehen waren, die strammen Beine, das aufreizend runde Gesäß.
Plötzlich merkte sie, wohin ich glotzte.
»Hör auf, mir auf den Hintern zu starren«, grinste sie und bespritzte mich mit Wasser. »Besonders nicht mit diesem hungrigen Wolfsblick.«
Ich sprang auf und packte sie um die Taille. »Was kann ich dafür, wenn du zum Fressen aussiehst«, rief ich.
Wir küssten uns. Doch dann machte sie sich lachend wieder los und lief davon.
Am frühen Abend tauchte ein halbes Dutzend schwerbewaffneter Reiter an unserem Lagerplatz auf. Sie hatten gute Pferde, ihre Rüstungen glänzten in der untergehenden Sonne. Offensichtlich die Patrouille eines Fürsten aus der Gegend.
Was wir hier zu suchen hätten, fragten sie. Die südliche Sprache war eigenartig. Man konnte sie nur mit Mühe verstehen. Robert erwiderte, wir seien auf Pilgerfahrt nach Monte Gargano zum Schrein des heiligen Michael. Davon hätten sie noch nie gehört, meinten die Reiter und beäugten uns misstrauisch. Dabei weiß doch jedes Kind, dass der heilige Michael Schutzpatron der Normannen ist und unsere Leute seit Generationen nach Gargano pilgern. Außerdem wollten sie wissen, wo wir die Schweinerücken gestohlen hatten, die auf unserem Lagerfeuer brieten.
Wir suchten keinen Streit, aber nun war es genug.
Robert erhob sich und baute sich in voller Größe vor ihnen auf. Er kann sehr beeindruckend wirken, besonders mit diesem kalten und zu allem entschlossenen Blick. Das ginge sie verdammt noch mal nichts an, knurrte er.
Ivain begann wie beiläufig, seine Wurfäxte zur Übung auf einen angeschwemmten Baumstamm zu werfen. Rainulf strich liebevoll über die Schneide seiner Streitaxt, und auch Rollo erhob sich und zog sein mächtiges Schwert, um es zu schärfen.
Die fremden Reiter sagten eine Weile nichts, hielten jedoch ein wachsames Auge auf Ivain und seine Wurfäxte. Und dann, ohne ein weiteres Wort, wendeten sie ihre Gäule und trabten davon.
Ragnar brüllte ihnen Beleidigungen hinterher. Irgendwas Unrühmliches über ihre Mütter. Auch er war ein Edelmann und besaß wie Robert, Fulko und Rainulf einen Ringpanzer. Er war muskulös, aber gertenschlank und mit dem Schwert so schnell und geschickt, dass einem
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