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Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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schon beim Zuschauen schwindelig wurde. Genauso tödlich war sein Spott. Er selbst aber war schnell beleidigt, wenn man etwas gegen ihn sagte. Womit er für Hamo, den Witzbold unter uns, zur reizvollen Zielscheibe geworden war.
    »He, Ragnar«, rief der für einen Normannen eher kleine, wenn auch drahtige Bursche. Er hatte einen Mund, der ebenso selten stillstand wie sein mächtiger Adamsapfel.
    »Was willst du, Zwerg?«, entgegnete Ragnar finster.
    »Wo war denn gerade dein feiner Saustecher, o Fürst der Schwertkämpfer? Ich habe ihn vermisst. Hatten dich die Kerle so eingeschüchtert?«
    Ragnar stieg die Zornesröte ins Gesicht. Er sprang auf, um sich auf Hamo zu stürzen. Der aber lachte nur und stellte sich wie beiläufig neben Rollo, seinen Freund. Die beiden bildeten ein seltsames Paar, der gewitzte Hamo und der dumme, aber gewaltige Rollo, der immer noch stur an seinem Schwert schliff. Und doch war auch Hamo nicht zu unterschätzen. Besonders nicht, wenn er wie jetzt sein Wurfmesser in der Hand hielt.
    Ragnar fluchte. »Eines Tages zieh ich dir das Fell über die Ohren, du kleine Ratte.« Frustriert schnitt er sich ein Stück von dem köstlich riechenden Schweinefleisch ab und setzte sich wieder.
    »Und was willst du mit meinem Rattenfell?«
    »Lass gut sein, Hamo«, grollte Rainulf. »Iss lieber, damit was aus dir wird.«
    Darüber mussten alle lachen, und es nahm auch Ragnar die Spitze seines Ärgers. Hamo zuckte ungetrübt mit den Schultern.
    »Leute«, rief er. »Ich kann es gar nicht erwarten, bis wir ankommen. Berge von Silber, Fässer vom besten Wein und vor allem Weiber, die Schlange stehen, um uns zu beglücken.«
    Herman wieherte vor Vergnügen. »Und die mit den größten …«, ein Blick auf Gerlaine ließ ihn zögern. »Na, du weißt schon, Hamo, die heben wir für dich auf.«
    »Was bist du doch für ein liebes Kerlchen«, gluckste Hamo.
    So blödelten sie noch eine Weile herum, bis das Gelächter sich beruhigte.
    »Gilbert«, raunte mir Reynard zu. »Frag doch mal dein Mädel, ob sie uns die Runen liest. Ich weiß, sie kann das. Ich habe sie gesehen, auch wenn sie es verheimlichen will.«
    Das stimmte sogar. Sie hatte die uralten Zeichen von ihrer Mutter gelernt und wusste sie zu deuten. Und seit sie Osbert den eigenen Tod vorausgesagt hatte, waren die Männer überzeugt, sie habe das zweite Gesicht und verfüge über geheime Zauberkräfte. Jedenfalls wurde sie von allen mit Vorsicht und Achtung behandelt. Selbst Thore, der sonst keinem Rock abgeneigt war, versuchte nicht, sich an sie ranzumachen.
    Was aber den Runenzauber betraf, so war dieser, seit viele Normannen Christen geworden waren, nicht bei allen gern gesehen. Um des lieben Friedens willen duldete Rainulf weder die alten Götterbeschwörungen noch übermäßiges Beten der Anhänger des Gekreuzigten. Er selbst hatte weder für das eine noch für das andere viel übrig.
    »Ich lege keine Runen«, sagte Gerlaine, die Reynard gehört hatte. »Für niemanden.«
    »Nicht einmal für Gilbert?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und was ist mit dir selbst?«, fragte er. »Willst du nicht wissen, wie es mit dir auf dieser Reise gehen wird?« Er lächelte ihr zu. »Oder wen von uns du mal heiratest?«
    Sie achtete kaum auf ihn, sondern starrte nur mich mit ihren hellen Augen unverwandt an. Fast wurde mir unheimlich dabei.
    »Heiraten werde ich nie«, sagte sie, ohne den Blick von mir zu wenden.
    Das traf mich schwer. »Ich dachte, du liebst mich«, sagte ich später, als wir allein waren.
    Sie schlang ihre Arme um mich und küsste mich. »Das weißt du doch«, murmelte sie an meiner Brust.
    »Und warum sagst du dann so was wie vorhin?«
    Sie blieb lange still. Ich dachte schon, sie würde mir nicht antworten, da hörte ich sie sagen: »Ich versuche, die Zukunft zu ergründen, und ich sehe uns nicht darin. Jedenfalls nicht zusammen.«
    Ihre Stimme war leise, fast tonlos, und als ich ihr Kinn zu mir hob, sah ich, dass sie Tränen in den Augen hatte.
    *
    Ich musste die halbe Nacht über Gerlaines Worte grübeln. Konnte sie wirklich in die Zukunft schauen? Trug sie tatsächlich dieses Geschenk der Götter in sich? Oder hatte sie etwas anderes gemeint? In sie bohren mochte ich nicht, denn ich fürchtete eine allzu ehrliche Antwort. Schließlich war ich nur ein porchon und Pferdeknecht. Was konnte ich ihr schon bieten?
    Trotzdem war ich überzeugt, dass mehr in mir steckte. Ich würde es ihr beweisen. Vielleicht würde eines Tages ein berittener Söldner

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