Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
nach draußen ins Tal hinunter erlaubte, auf der schroffen Rückseite des Hügels von Melfi.
Ich machte mir Sorgen um Gerlaine und hoffte, sie würde bei den Kameraden in Sicherheit sein. Drogos Zorn war doch gewiss nur gegen Robert gerichtet, so hoffte ich. Wenigstens war Fulko in Freiheit. Er würde sich um die Truppe kümmern. Und doch war ich beunruhigt, denn ich hatte noch nie jemanden so wütend gesehen wie Drogo.
»Meint ihr, wir kommen hier noch mal raus?«, fragte ich.
»Er will uns mürbe machen«, sagte Robert. Er schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Wand. »Sei geduldig. Es wird sich schon was ergeben.«
»Dass er den eigenen Bruder einsperrt, hätte ich ihm nicht zugetraut«, sagte Rainulf. »Ihr seid schon eine wilde Familie.«
Robert öffnete die Augen. »Ich will euch mal was verraten über Drogo. Ganz im Vertrauen. Serlo und Williame waren immer diejenigen, die bei uns den Ton angegeben haben. Sie sind ja auch die Ältesten. Und Drogo, so herrisch der sich manchmal aufführt, musste immer klein beigeben. Nun ist Williame tot, Serlo ist daheim geblieben. Also ist endlich seine Stunde gekommen, versteht ihr? Es ist ihm ganz wichtig, sich zu behaupten. Und es läuft ja auch gut für ihn. Ich hätte ihn jedenfalls nicht so herausfordern sollen. Aber ich bin eben auch ein Dickkopf.«
»Glaubst du, er wird wirklich die Beute zurückgeben? Ich kann es mir nicht vorstellen.«
»Natürlich nicht.« Robert lachte grimmig. »Das wird alles in seiner eigenen Schatztruhe verschwinden. Außer vielleicht die Statue. Um die Lombarden zu beruhigen. Aber die ist ohnehin nicht echt.«
»Nicht aus Gold?«, fragte ich.
»Die Figur ist selbstverständlich hohl und aus Silber, dann feuervergoldet. Ich habe an der Rückseite gekratzt. Natürlich ist sie immer noch viel wert. Aber die kann er von mir aus gerne zurückgeben, wenn es die frommen Gemüter beruhigt.«
»Gleich wie, Robert, es hat sich gelohnt«, lachte Rainulf. »Schon allein, um die verdutzten Gesichter zu sehen. Denen sind doch fast die Augen aus dem Kopf gepurzelt.«
»Du warst doch erst dagegen.«
»Na ja, du kennst meine vorsichtige Natur. Aber hast du gesehen, was Gaitelgrima für Augen gemacht hat? Und wie die beiden sich angegiftet haben?«
»Ich sag’s ja, an der wird mein Bruder keine Freude haben.«
»Und sie nicht an ihm. Das kann man ihr jetzt schon vom Gesicht ablesen.«
Mit solchem Gerede versuchten wir, unseren Mut hochzuhalten, obwohl es von Tag zu Tag schwerer fiel, die kalten Nächte auf dem harten Boden zu ertragen.
Endlich, am vierten Tag, öffnete sich unsere Kerkerpforte und man ließ Girard di Buonalbergo zu uns herein.
»Tut mir leid. Früher wollten sie mich nicht kommen lassen.«
»He, Alter«, grinste Robert. »Froh, dich zu sehen. Wie sieht die Welt da draußen aus?«
»Beschissen, sag ich dir. Dein Bruder ist immer noch fuchsteufelswild. Er droht, dich hier verrecken zu lassen.«
Robert zuckte mit den Schultern, als ob ihn das nichts anginge. »Er wird sich schon beruhigen.«
»Da, ich hab euch was mitgebracht.« Girard steckte jedem von uns eine schöne geräucherte Wurst zu. Dann hockte er sich neben uns auf den Boden. »Ist nicht gerade gemütlich hier. Ein paar Pritschen hätten sie euch schon lassen können.«
»Wo ist eigentlich Onfroi?«, fragte Robert.
»In Lavello, um dort eine Burg errichten zu lassen.«
»Der hätte die Sache vielleicht anders gesehen.«
»Mag sein. Aber so ganz unrecht hat Drogo nicht. Durch die Anerkennung des Kaisers haben wir uns gewisse Rechte in diesem Land erworben. Die sollten wir nicht aufs Spiel setzen.«
»Möglich«, brummte Robert. »Das hätte er mir aber auch persönlich erklären können, statt mich wie seinen Stallburschen zu behandeln.«
Girard nickte. »Drogo ist nicht immer einfach. Das weiß jeder hier. Aber mal ehrlich. Du wolltest mit dem Kopf durch die Wand. Jetzt bist du noch weniger als ein Stallbursche.«
»Ich bin, was ich bin, Girard«, sagte Robert mit ruhiger Stimme und heftete seinen Blick fest auf ihn. »Daran ändern auch diese Mauern nichts. Und niemand wird mich aufhalten. Das kann ich dir versprechen.«
»Ich traue dir schon einiges zu, Guiscard. Aber erst einmal musst du hier raus.« Nun wandte er sich an Rainulf und mich. »Sagt mal, ihr Teufelskerle. Wie seid ihr überhaupt in dieses verdammte Heiligtum reingekommen? Es soll gut bewacht sein.«
Als wir es ihm erklärten, pfiff er anerkennend durch die Zähne. »Du machst deinem
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