Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
gefragt, wie er so unsere Zwillinge ernähren will, wenn er sich bei denen dort drüben hundert Euro ausborgt, damit er vielleicht wieder hundert Euro gewinnt!“
Jetzt machte ich mir ernsthaft Sorgen um sie. Was, wenn die Kaukasier bald zu ihr herübergestiefelt kamen und das Geld von ihr wollten? Ich fragte: „Wie willst du denn seine Schulden bezahlen?“
„Das hab’ ich ihn auch gefragt, wie das gehen soll, aber es war schwierig, mit ihm zu reden, er hat ja fast kein Deutsch geredet, und ich überhaupt kein Türkisch.“
Nun war es an Guttmann, sie auf besserwisserische und unangenehme Weise über die Herkunft ihres ehemaligen Liebhabers aufzuklären: „Er war kein Türke, er war Tschetschene.“
Da fragte Big Bärbel: „Ein was?“
Sie hatte sich irgendwie schon fix darauf eingestellt, dass sie zwei kleine Halbtürken auf die Welt bringen würde und dass sie in Bezug auf ihre Ernährung darauf achten würde müssen, dass sie immer genug Zwiebeln und Sonnenblumenkerne kriegten, um einigermaßen glücklich durchs Leben zu kommen. Was kleine Tschetschenen aßen, das wusste sie jetzt gerade überhaupt nicht. Ich hatte zwar mal was gehört, dass es kleine Russen waren, aber das konnte ich ihr natürlich in diesem Moment nicht sagen, also ließ ich es lieber bleiben.
Big Bärbel hatte dann diesen Energieabfall, den Schwangere oft unvermittelt kriegen. Zu den üblichen üblen Launen, die Frauen ohnehin durchgehend haben, kommen bei den Schwangeren noch extraüble Launen und Energieschwankungen hinzu. Es verlangte sie jetzt danach, die Füße auf meine Schenkel zu legen und an der Seite ihrer Freundinnen zu ruhen. Sie hatte irgendwie genug von diesem Penner Issik und beobachtete lieber zwei Mütter Anfang vierzig in ihren Gesundheitslatschen, die ihre Deluxe-Kinderwägen vor sich herschoben. Die zwei hatten einen mit Brille dabei, der anscheinend vom städtischen Bauamt war, denn sie erklärten ihm schneidig, wo genau ihrer Meinung nach der neue Kindergarten hinkommen musste und wo das Tor, durch das dann nur mehr diejenigen hereindurften, die auch „die Mittel“ hatten, um sich diesen neuen Tempel der Mittelschicht auch leisten zu können. Eine von Big Bärbels Freundinnen war dann Gott sei Dank so nett und schrie: „Dann spielt hier bald nur noch der Leon mit der Maria-Amelie, oder was?!“
Wir mussten alle wirklich sehr lachen. Die Kinder der Mütter um Big Bärbel hatten ja alle richtige Namen wie Kevin, Dennis, Jennifer, Jaqueline und Marcel. Dafür würden sie es aber auch nie in den neuen Kindergarten hier schaffen, schon gar nicht die beiden, die noch in Big Bärbels Bauch lagen.
Frau Tscherte lehnte sich dann an mich, als wäre ich Lemmy, und bat mich, ihr einen schönen Ofen zu drehen, was ich gerne tat, weil ich selbst gerade die gleiche Idee hatte. Und immer, wenn sie danach schnappte, schob ich ihr das Teil in den Mund, sodass sie nur noch daran ziehen und inhalieren musste, und immer dann, wenn sie ausatmete, war ich an der Reihe mit Ziehen und Inhalieren. Bald war Big Bärbel irgendwo, aber diesmal irgendwie noch weiter weg als sonst, denn plötzlich sagte sie: „Uuuuuuuh! Uuuuh! Hat der Lemmy vielleicht was Neues angebaut, ich meine, das Zeug ... Halleluja ... uuuuh!“
Ich verneinte und erklärte ihr, dass Lemmy nun für Freunde und treue Stammkunden einfach keinen Blasentee mehr untermischte, und wirklich: Seit er uns sein Gras ohne schädliche Zusatzstoffe gab, hatte das Rauchen gleich noch mal eine andere Qualität. Sogar ich genoss es plötzlich, an einem warmen Sommernachmittag mit ein paar fetten Mädels ein Kaffekränzchen abzuhalten und dabei über enttäuschte Liebe und andauernde Geldnöte zu quatschen, gut gewürzt mit einer tragischen Todesmeldung, die von den schwarzen Wolken über uns, die immer schwerer zu werden schienen, mit ein paar ersten Regentropfen kommentiert wurde. In die seltsame Idylle hinein fragte ich schließlich: „Ist euch in letzter Zeit vielleicht mal einer aufgefallen, der nicht hierher gehörte und den der Issik getroffen hat?“
Big Bärbel überlegte, und zwar, wie sie uns das am besten beibringen sollte, ohne dass es ein schlechtes Licht auf sie und ihre Zwillinge werfen würde, sie sagte: „Also, der Issik war ja nicht nur ein Boxer, er hat ja auch versucht zu dealen hier heroben im Park, aber nicht mal das konnte er richtig, der Penner.“
Ihre Freundin – die, der die Cellulite kiloschwer gegen die schwarzen Leggings drückte – wurde
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