Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)

der alten Karre schon vor wie der stark rückständige Bewohner eines stark rückständigen Bergdorfs im Kaukasus, nur dass die alle mittlerweile größere Autos fuhren als ich.
    Als ich endlich an der Reihe war, fragte mich der Freund der Berge: „Was du wollen?“
    Er hatte sich wohl ein paarmal zu oft Roter Oktober angeschaut und sich in dieser speziellen Welt der Geheimdienste verloren, außerdem redete er wie Schwarzenegger, wenn er gerade gurgelt, sein Bass war tiefer gelegt als alle Karosserien der Hölle.
    Aus dem Nichts heraus – getrieben von einer gewissen inneren Unruhe, gepaart mit Lemmys Weed – ließ ich zum Spaß einen Testballon steigen und entwarf einen fiktiven Lebenslauf mit 800 000 angehäuften Schulden, nicht bezahlten Alimenten, gekündigten Lebensversicherungen, kurz: Ich war für ihn ziemlich pleite und musste darüber auch ziemlich lachen, fragte aber trotzdem ins Blaue hinein, wie viel er mir denn ungefähr borgen konnte, „Was meinst du, Ivan?“
    Aber Ivan, der Allerschrecklichste, hieß gar nicht Ivan, sondern „Ich Sergej!“
    Und so, wie er mich dann anschaute, kriegte ich eine ungefähre Vorstellung vom Wesen des Südkaukasiers, wenn er das Gefühl hat, unnötig seine kostbare Zeit zu vertrödeln, und er sagte: „Kannst du haben Geld, so viel du wollen, aber für dich Zinsen von 85 Prozent sind Okkasion, pro Woche, und der da mit Bauch muss machen deine Bürge.“
    Dabei deutete er auf Guttmann, dem es in diesem Moment ein wenig die Kehle zuschnürte. Roter Oktober ließ seine gewaltigen Arme zunächst noch verschränkt, bis er sie dann schließlich doch ausfuhr und mit dem ausgestreckten Zeigefinger zuerst auf mich zeigte und sich dann mit dem gleichen ausgestreckten Finger über die Kehle fuhr.
    Irgendwie hatte ich mich da wohl verlaufen, bildlich gesprochen, und plötzlich schiss ich mir auch ganz leicht in die Hosen, ebenso bildlich gesprochen, denn ich hatte ganz vergessen, wie ich mich im Notfall aus diesem Laden wieder zurückziehen wollte.
    Gott sei Dank hatte Guttmann Drogen jeder Art bisher strikt abgelehnt, sodass er anders als ich noch nüchtern und bei klarem Verstand war. Er stand einfach auf und steckte sich wieder das Hemd in die Hose, dann zog er seine Bullen-Marke und legten den Schuldschein von Issik auf den Tisch, dabei sagte er ganz ruhig zum Sergej: „Du machen Information über Mann was steht Name da drauf.“
    Vielleicht hatte ich Gutti aber auch überschätzt, denn dem Sergej war egal, was Guttmann sagte, er selbst sagte „Njet“.
    Da zog Gutti seine Knarre und hielt sie ihm gegen die Stirn. Das sah richig cool aus, und ich sagte zu Guttmann: „Siehst du! Wenn du willst, dann kannst du ja!“
    Das Problem war nur, dass er zu oft nicht wollte. Ich wollte jetzt auch wieder mitmachen und sagte zum Sergej: „Sprich!“
    Sprach er also: „Ist Issik Alejew sein Name was hat genommen hundert Euro von uns für neue Boxhandschuhe hat er gekriegt mit vierzig Prozent Zinsen, weil Landsmann.“
    „Macht heute wie viel?“
    „1366 und ein bisschen was.“
    Guttmann drängte seine Knarre etwas weiter ins dichte Haar des Sergej und sagte: „Und haben Mann noch andere Scheine mit Schuld bei dir?“
    Da griff Roter Oktober in seine Lade, die mich an die von einem Arzt erinnerte, der darin seine Karteikarten hortet, und zog alles von Issik Alejew heraus. Tatsächlich waren da noch ein paar andere Schuldscheine darunter, für die Big Bärbel hätte geradestehen müssen, aber Guttmann sagte: „Du machen Schuldscheine wie wenn nie gewesen, ritsche-ratsche, du verstehen?“
    Roter Oktober verstand und zerriss widerwillig die Scheine, aber er sagte auch: „Du schlecht Mann!“
    Da fing ich wieder an zu kichern und sagte: „Er Guttmann!“
    Und dann zerriss es mich fast vor Lachen.
    * * *
    Der abschließende Tritt in den Arsch ließ sich dann natürlich nicht verhindern, und es war Guttmann, der den Eisenfuß abkriegte. Wie Dick und Doof rannten wir davon, von vielen dunklen Flüchen begleitet. Schon zum Auto schaffte es Guttmann nur noch unter größten Schmerzen, ich musste ihn stützen, während ich ihn ins Auto setzte, und da fragte ich mich, ob unsere Freundschaft diese Hinfälligkeit überdauern würde. Kaum hatten wir die Türen zugeknallt, entlud sich der schwarze Himmel in einem gewaltigen Guss, der auf uns herniederprasselte. Ich dachte an die vielen armen Menschen, die jetzt keinen Toyota hatten, in dem sie sich verstecken konnten, und war letztlich doch