Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
Vom Netzwerk:
einen ganzen Kreis von Unterstützern an Euch zu binden.«
    »Wie könnte ich die Fürsten und Grafen bei Hofe in meine Nähe lassen?«, fragte Aruda. »Es waren die Leute meines Vaters. Und ich weiß nicht, ob sie nicht bereits ihren früheren Herrn verraten haben.«
    »Nun, Majestät«, sagte der Kanzler. »Ich war eine Weile fort, aber ich könnte Euch ein paar Zofen und Ratgeber empfehlen, für die ich jederzeit die Hand ins Feuer lege.«
    »Das sind die Leute, denen Ihr vertraut«, warf Dauras ein. »Dann gebt Ihr Ihnen doch einen Posten. Die Kaiserin sucht nach Gefolgsleuten, denen sie vertrauen kann.«
    Arnulf von Meerbergen funkelte den Schwertkämpfer an. Meris bemerkte erst jetzt, wie klein die Augen des Kanzlers in dem breiten Gesicht und unter den buschigen Brauenwirkten. Eine steile Falte schien seine Stirn geradezu in zwei Hälften zu teilen. Seine Hand ging an den Gürtel, und er machte einen Schritt nach vorn.
    Dann atmete er tief durch, und seine Stirn glättete sich. »Nun gut, Majestät«, sagte er. »Ihr müsst Eure Vertrauten selbst auswählen. Aber es gibt ein paar Leute, in deren Nähe Ihr Euch wohl unbesorgt wagen dürft. Hofrat von Reinenbach beispielsweise   – er hat sich sehr dafür eingesetzt, dass Ihr das Erbe Eures Vaters antretet. Er wird Euch gewiss nicht gleich ermorden, wenn Ihr mit ihm redet.«
    Aruda schaute überrascht auf. »Ihr empfehlt mir von Reinenbach? Ich dachte, Ihr seid kein Freund des Hofrats.«
    Der Kanzler lachte leise. »Nein«, sagte er schließlich. »Freunde sind wir nicht. Aber ich akzeptiere seine Bedeutung. Er steht für viele mächtige Grafen und Fürsten, deren Interessen er vertritt. Ich glaube auch nicht, dass er Euer Freund ist. Der einzige Grund, warum er Euch unbedingt zur Kaiserin machen wollte, ist der, dass ein Kampf um die Krone das feine Geflecht, das Reinenbach über das ganze Reich geworfen hat, unweigerlich zerreißen würde.«
    Der Kanzler senkte die Stimme, als wäre selbst in diesem einsamen Korridor ein unbekannter Lauscher zu fürchten. »Und ich bin überzeugt, Majestät: Sowohl von Reinenbach wie auch seine Hintermänner haben darauf gehofft, dass sie Euch leicht kontrollieren können. Aber das ist kein Grund, sie zu meiden. Im Gegenteil: Wenn Ihr offen gegen sie vorgeht, provoziert Ihr sie zu neuen Schritten und beschwört damit womöglich genau die Gefahr herauf, die Ihr verhindern wolltet.
    Ich will damit sagen: Selbst wenn Ihr recht habt mit Euren Bedenken, solltet Ihr dennoch nicht jeden von Euch fernhalten, auch wenn Ihr ihm nicht vertrauen könnt. Bei Hofe ist es oft klug, gerade die gefährlichsten Gegner in der Nähe zuhaben. Wie ein Kämpfer, der seinen Gegner fest in den Griff nimmt, damit dieser die Waffe nicht ziehen kann.«
    Ein dünner Regen fiel vom Himmel. Das Wasser lief an der Kuppel der großen Kathedrale herab und überzog das Mauerwerk mit einem schlüpfrigen Film. Meris hatte Mühe, nicht den Halt zu verlieren. Gestern hatte sie noch über das Klettern gescherzt   – und jetzt hing sie hier. Sie verfluchte ihre leichtfertigen Worte, mit denen sie das Schicksal herausgefordert hatte.
    Dennoch, sie hatte erkannt, dass sie sich auf das besinnen musste, was sie am besten konnte. Und der Umgang mit Fürsten bei Hofe gehörte nicht dazu. Im Grunde war sie sogar dankbar für das Wetter: Die Nacht war so schwarz wie eine Grube voll Teer, und das war wichtig, wenn sie bei ihrem wahnsinnigen Unterfangen nicht entdeckt werden wollte.
    Mit schmerzender Schulter stieg sie an dem großen Tempel der Hauptstadt empor, an dem höchsten Heiligtum Bponurs, das sich altehrwürdig in der Mitte der kaiserlichen Insel erhob, mit einem dreieckigen Grundriss, der nach Süden hin zu einer Ecke anstieg und über dem sich eine riesige Kuppel wölbte, die im Tageslicht glitzerte wie ein Diamant.
    Meris hatte sich Haken um die Arme und unter die Füße geschnallt, und die großen Quadersteine des Tempels waren alt und an den Fugen leicht verwittert. Sie hatte schon schwierigere Anstiege bewältigt. Meris hatte sich ein Seil an den Gürtel gebunden, das unter ihr in der Finsternis verschwand, die in dem schmalen Winkel zwischen dem Tempel und dem Anbau herrschte.
    Sie hievte sich über die Kante des dreieckigen Unterbau auf das Dach, das bis zur Kuppel leidlich flach verlief. Meris hieltinne und wuchtete den schweren Sack mit Werkzeug hoch, den sie auf dem Rücken trug. Dann schlich sie über das Dach auf die Kuppel zu. Diese war mit buntem

Weitere Kostenlose Bücher