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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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Anwesenheit so gut wie möglich getilgt hatte, machte sie sich auf den Rückweg.
    Die beiden letzten Tage im Leben des alten Kaisers mussten qualvoll gewesen sein. Sie kannte das Gift, das solche Schäden an den Organen anrichtete. Es war ein Gift, das man aus Knollenblätterpilzen gewinnen konnte und dessen Wirkung sich durch Destillation noch verstärken, noch gezielter einsetzen ließ. Das Opfer verfaulte buchstäblich von innen heraus, bei lebendigem Leib. Und es dauerte mindestens einen Tag, bis die Symptome eintraten, und diese waren zunächst unspezifisch. Zeit genug für einen Attentäter, das Weite zu suchen und seine Spuren zu verwischen.
    Ja, befand Meris, bevor sie die Kathedrale verließ: So gewiss, wie der Erzkaplan Selbstmord begangen hatte mit Giften, die leicht verfügbar und für einen Anschlag gänzlich ungeeignet waren, so sicher war der Kaiser an einem Gift gestorben, das für einen geheimen Mordanschlag hervorragend geeignet war und gerne verwendet wurde   … von den wenigen, die damit umzugehen verstanden.

16.11.962 – UMLAND VON HOROME
    A nwiesen war eine Gemeinde am nördlichen Rand der Hauptstadt. In der ländlichen Gegend, umgeben von Feldern und Viehweiden, erstreckte sich eine lockere Mischung von städtischen Häusern, von bäuerlichen Höfen und von schlichten Hütten.
    Im Morgengrauen zog der Dunst von den feuchten Wiesen in die Gassen des Vororts und hing zwischen den großen Fuhrwerken, die sich auf dem Platz vor der Mühle drängten. Trotz der frühen Stunde ging es lebhaft zu: Knechte schleppten einen Sack nach dem anderen herbei und verluden ihn, die Fuhrmänner brüllten ihre Befehle, die Pferde bewegten sich unruhig im Geschirr.
    Die Reiter kamen im Schutz des Nebels heran, und sie standen fast schon im Hof, bevor man sie entdeckte. Die ganze Kompanie der Falken umstellte das Gelände, und drei Kompanien Fußvolk der kaiserlichen Legion folgten ihnen auf dem Fuße. Die Eber gingen in den Hof und brachten die Wagen unter ihre Kontrolle, Wolf und Luchs schirmten nach außen hin ab.
    »Keiner verlässt die Wagen.« Die Stimme eines Sergeanten hallte laut über den Hof. »Ihr da, weiter aufladen.«
    Einige der Knechte versuchten zu fliehen, andere ließen die Säcke fallen. Bauern und der Müller kamen herbei und protestierten. Die Soldaten jagten den Müller vom Hof, sie schlugen mit dem Speerschaft auf die Arbeiter ein, bis die das Beladen wieder aufnahmen und die Kornsäcke zu den Wagen schleppten.
    Ritter Merin an Leohard, der Hauptmann der Falken und der Befehlshaber der Aktion, stand in der Zufahrt. Er richtete sich in den Steigbügeln auf und behielt die Szene im Blick.
    »Es war eine gute Idee, dass wir warten, bis sie das Korn wegschaffen wollen«, stellte er fest. »So haben sie gleich die Wagen und die Fuhrleute für uns besorgt.«
    »Ja.« Ein Schreiber der Kanzlei saß auf einem braunen Pferd, das neben dem sehnigen Streitross des Ritters wirkte wie ein Klepper. Der rundliche Mann rutschte unruhig im Sattel hin und her. »Aber das Volk empört sich. Seht, Merin   – da kommen immer mehr Bauern!«
    Man hörte Lärm von den Stellen, wo die Infanteristen die Zufahrtswege abriegelten. Steine flogen klirrend gegen Schilde.
    »Ich weiß nicht, wie wir das Korn durch diesen Volksauflauf bringen sollen«, sagte der Schreiber. »Sie werden die Säcke von den Wagen zerren, während wir vorbeifahren. Und wenn sie auf den Hof kommen, haben wir ein einziges Durcheinander.«
    Ritter an Leohard blieb ruhig. »Wir sind mit vier Kompanien hier. Da werden wir den Pöbel schon in Schach halten.«
    »Wenn Blut fließt, kann das die Stimmung erst recht anheizen«, gab der Schreiber zu bedenken. »Ihr solltet die Masse des Volkes nicht unterschätzen.«
    Der Ritter schürzte die Lippen. »Das mag sein«, räumte er ein. Er winkte einen Sergeanten herbei. »Marmar, reite zum ersten Zug und befiehl dem Leutnant, er soll ein paar Fackeln in die Hütten am Nordende werfen   – hinter dem Gasthaus Zum Mondtag .«
    »Ihr wollt ein Feuer legen?« Der Schreiber klang entsetzt.
    »Es gibt genug Brandschneisen bis zur Stadt«, beruhigte der Ritter ihn. »Das Feuer wird sich nicht weiter ausbreiten. Ihr habt recht   – wenn ich meine Männer gegen die Volksmenge vorgehen lasse, weiß keiner, was daraus wird. Aber wenn ihre Häuser brennen, dann wette ich, dass der Pöbel bald etwas anderes zu tun hat, als hier herumzulungern.«
    Eine Weile geschah nichts. Der Schreiber hörte die Hufschläge,

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