Das Schwert in Der Stille
hörten, und wedelten mit den Schwänzen. Ich rief; die Männer kamen verdutzt heraus.
»Was ist los, Takeo?«
»Ihr habt ihn hereingelassen!«, sagte ich wütend. »Der Alte, er ist im Garten.«
»Nein, er ist draußen auf der Straße, wo du ihn verlassen hast.«
Mein Blick folgte der Geste des Mannes, und einen Augenblick lang war auch ich getäuscht. Ich sah ihn, wie er draußen im Schatten der überdachten Mauer saß, demütig, geduldig, harmlos. Dann schärfte sich mein Sehvermögen. Die Straße war leer.
»Ihr Dummköpfe! Habe ich euch nicht gesagt, dass er gefährlich ist? Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr ihn auf keinen Fall hereinlassen dürft? Was seid ihr nur für nutzlose Idioten! Und dabei nennt ihr euch Männer vom Clan der Otori? Geht zurück auf eure Bauernhöfe und bewacht eure Hennen, hoffentlich fressen die Füchse jede einzelne von ihnen!«
Sie glotzten mich an. Keiner im Haushalt hatte mich wohl je so viele Worte auf einmal sagen hören. Mein Zorn war noch größer, weil ich mich für sie verantwortlich fühlte. Aber sie hatten mir zu gehorchen. Ich konnte sie nur beschützen, wenn sie mir gehorchten.
»Ihr habt Glück, dass ihr noch am Leben seid.« Ich zog mein Schwert aus dem Gürtel und lief zurück, um den Eindringling zu suchen.
Er war nicht mehr im Garten, und ich fragte mich schon, ob ich wieder ein Trugbild gesehen hatte, da hörte ich Stimmen aus dem oberen Zimmer. Lord Shigeru rief mich. Es klang nicht, als sei er in Gefahr; es klang eher belustigt. Als ich in den Raum kam und mich verbeugte, saß der Mann neben ihm wie ein alter Freund, und beide lachten in sich hinein. Der Fremde sah nicht mehr so alt aus. Er war ein paar Jahre älter als Lord Shigeru und hatte jetzt ein offenes, freundliches Gesicht.
»Er wollte nicht auf derselben Straßenseite wie du gehen, wie?«, sagte der Lord.
»Nein, und er zwang mich, draußen sitzen zu bleiben und zu warten.« Beide brüllten vor Lachen und schlugen mit den Handflächen auf die Matten. »Übrigens, Shigeru, du solltest deine Wachen besser schulen. Takeo war mit Recht wütend auf sie.«
»Er hatte die ganze Zeit Recht«, sagte Lord Shigeru nicht ohne Stolz.
»Er ist einer unter tausend - so wird man geboren, nicht gemacht. Er muss vom Stamm sein. Setz dich auf, Takeo, und lass dich anschauen.«
Ich hob den Kopf vom Boden und setzte mich auf die Fersen. Mein Gesicht brannte. Der Mann hatte mich doch überlistet! Schweigend musterte er mich.
Lord Shigeru sagte: »Das ist Muto Kenji, ein alter Freund von mir.«
»Lord Muto«, sagte ich höflich, aber kalt, ich war entschlossen, meine Gefühle nicht zu zeigen.
»Du musst mich nicht Lord nennen«, entgegnete Kenji. »Ich bin kein Lord, auch wenn ich einige unter meinen Freunden habe.« Er beugte sich zu mir. »Zeig mir deine Hände.«
Zuerst nahm er die eine, dann die andere Hand, betrachtete den Rücken und dann die Handfläche.
»Wir finden, er gleicht Takeshi«, warf Lord Shigeru ein.
»Hm. Er hat etwas von den Otori.« Kenji nahm seine ursprüngliche Haltung wieder ein und schaute hinaus in den Garten, der jetzt ohne Farbe war. Nur die Ahornbäume leuchteten noch rot. »Die Nachricht von deinem Verlust hat mich traurig gemacht.«
»Mir war zum Sterben zu Mute«, antwortete Lord Shigeru. »Aber die Zeit vergeht, und ich stelle fest, dass ich wieder gern lebe. Ich bin nicht für Verzweiflung geschaffen.«
»Nein, wirklich nicht«, stimmte Kenji freundschaftlich zu. Beide schauten durch die offenen Fenster hinaus. Die Luft war herbstlich kalt, ein Windstoß schüttelte die Ahornbäume, rote Blätter fielen in den Bach und wurden im Wasser noch dunkler, bevor sie in den Fluss geschwemmt wurden.
Ich dachte sehnsüchtig an das heiße Bad und schauderte.
Kenji fragte schließlich: »Warum lebt dieser Junge, der Takeshi gleicht, aber offensichtlich vom Stamm ist, in deinem Haushalt, Shigeru?«
»Warum bist du von so weit hergekommen, um mich das zu fragen?«, entgegnete der Lord lächelnd.
»Es macht mir nichts aus, dir das zu sagen. Der Wind brachte die Nachricht, dass jemand gehört hatte, wie einer in dein Haus einstieg. Das führte dazu, dass einer der gefährlichsten Attentäter in den drei Ländern tot ist.«
»Wir haben versucht, es geheim zu halten«, sagte Lord Shigeru.
»Unsere Aufgabe ist es, solche Geheimnisse herauszufinden. Was hat Shintaro in deinem Haus gemacht?«
»Wahrscheinlich ist er gekommen, um mich zu töten«, antwortete Lord Shigeru. »Shintaro
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