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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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dich.«
    Die Worte klangen gütig, doch ich wusste, dass ihr Sprecher doppelzüngig war.
    »Ich danke euch für eure Anteilnahme«, erwiderte Shigeru, »aber du musst mir erlauben, dich in einem Punkt zu berichtigen. Mein Bruder ist nicht hingeschieden. Er wurde ermordet.«
    Er sagte es ohne Gemütsbewegung, als würde er einfach eine Tatsache feststellen. Niemand im Raum zeigte eine Reaktion. Tiefe Stille folgte.
    Dann sagte Lord Shoichi mit vorgetäuschter Munterkeit: »Und das ist dein junger Schützling? Er ist ebenfalls willkommen. Wie heißt er?«
    »Wir nennen ihn Takeo«, antwortete Shigeru.
    »Offenbar hat er ein sehr scharfes Gehör.« Masahiro beugte sich etwas vor.
    »Nichts Ungewöhnliches«, sagte Shigeru. »Wir haben alle ein scharfes Gehör, wenn wir jung sind.«
    »Setz dich auf, junger Mann«, sagte Masahiro zu mir. Als ich gehorchte, betrachtete er einige Augenblicke lang mein Gesicht und fragte dann: »Wer ist im Garten?«
    Ich runzelte die Stirn, als wäre mir erst jetzt der Gedanke gekommen, die Stimmen zu zählen. »Zwei Kinder und ein Hund«, wagte ich dann zu sagen. »Ein Gärtner an der Mauer?«
    »Und wie viele Menschen würdest du im Haus schätzen?«
    Ich zuckte leicht die Schultern, fand das aber dann sehr unhöflich und versuchte es in eine Verbeugung umzuwandeln. »Mehr als fünfundvierzig? Verzeihen Sie mir, Lord Otori, ich habe keine großen Talente.«
    »Wie viele sind es, Bruder?«, fragte Lord Shoichi.
    »Dreiundfünfzig, glaube ich.«
    »Eindrucksvoll«, sagte der Ältere, aber ich hörte seinen erleichterten Seufzer.
    Ich verbeugte mich wieder bis zum Boden, und weil ich mich dort sicherer fühlte, blieb ich unten.
    »Wir haben diese Adoptionssache so lange aufgeschoben, Shigeru, weil wir uns über deinen Gemütszustand im Unklaren waren. Das Leid schien dich aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben.«
    »Bei mir gibt es keine Unsicherheit«, antwortete Shigeru. »Ich habe keine lebenden Kinder, und jetzt, da Takeshi tot ist, habe ich keinen Erben. Ich habe Verpflichtungen gegenüber diesem Jungen und er gegenüber mir, die erfüllt werden müssen. Er ist von meinem Haushalt bereits akzeptiert und lebt bei uns. Ich bitte darum, diese Tatsache anzuerkennen und ihn in den Clan der Otori aufzunehmen.«
    »Was sagt der Junge dazu?«
    »Sprich, Takeo«, ermunterte mich Lord Shigeru.
    Ich setzte mich auf und wurde plötzlich von tiefen Gefühlen überwältigt. Ich dachte an das Pferd, das gescheut hatte wie jetzt mein Herz. »Ich verdanke mein Leben Lord Otori. Er schuldet mir nichts. Die Ehre, die er mir erweist, ist viel zu groß für mich, doch wenn es sein - und Euer Lordschaft - Wille ist, werde ich sie aus ganzem Herzen annehmen. Ich werde mein Leben lang dem Clan der Otori dienen.«
    »Dann soll es so sein«, sagte Lord Shoichi.
    »Die Urkunden sind vorbereitet«, fügte Lord Masahiro hinzu. »Wir werden sie sofort unterzeichnen.«
    »Meine Onkel sind sehr gütig und großzügig«, sagte Shigeru. »Ich danke euch.«
    »Da ist noch eine andere Sache, Shigeru, in der wir um deine Mitarbeit bitten.«
    Ich sank wieder zu Boden. Das Herz klopfte mir bis zum Halse. Ich wollte Lord Shigeru irgendwie warnen, aber natürlich konnte ich nichts sagen.
    »Du weißt über unsere Verhandlungen mit den Tohan Bescheid. Wir finden, ein Bündnis ist dem Krieg vorzuziehen. Wir kennen deine Meinung. Du bist noch jung genug, um unbesonnen zu sein…«
    »Mit fast dreißig Jahren kann ich nicht mehr jung genannt werden.« Wieder stellte Shigeru diese Tatsache ruhig fest, als sollte es keinen Streit mit ihm geben. »Und ich wünsche keinen Krieg um des Krieges willen. Es ist nicht das Bündnis, gegen das ich mich wende. Es ist das tatsächliche Wesen und Verhalten der Tohan.«
    Seine Onkel reagierten nicht auf diese Bemerkung, doch die Stimmung im Raum wurde etwas kühler. Auch Shigeru sagte nichts mehr. Er hatte seinen Standpunkt klar genug gemacht - zu klar für den Geschmack seiner Onkel. Lord Masahiro gab dem Haushofmeister ein Zeichen, worauf dieser leise in die Hände schlug; gleich darauf brachte ein Mädchen, das unsichtbar hätte sein können, Tee. Die drei Otorilords tranken. Mir wurde nichts angeboten.
    »Nun, das Bündnis muss vorankommen«, sagte schließlich Lord Shoichi. »Lord Iida hat vorgeschlagen, dass es durch eine Heirat zwischen den Clans besiegelt werde. Sein engster Verbündeter, Lord Noguchi, hat eine Schutzbefohlene. Lady Shirakawa Kaede heißt sie.«
    Shigeru bewunderte

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