Das Schwert - Thriller
nickte.
»Ich rufe ihre Mutter an«, sagte Emilia.
Naomi rutschte auf dem Stuhl herum.
»Wenn wir uns nicht beeilen, sind die besten Lampions weg.«
»Es werden schon noch welche übrig sein«, beruhigte sie Emilia. Jedes Jahr um diese Zeit führten sie mehr oder weniger die gleiche Diskussion, seit Naomi erfahren hatte, dass im Ramadan die Kinder mit bunten Lampions durch die Straßen zogen und traditionelle Lieder sangen. Zu Hause hätte Emilia sich die größten Sorgen gemacht, aber Kairo war die sicherste Stadt, die sie kannte. In Kairo wurden keine Kinder entführt oder ermordet.
»Und außerdem«, triumphierte Naomi, »das war nichtMcDonalds letzten Monat, das war der Pizza Express. Und meinen Geburtstag haben wir bei Hardee’s gefeiert.«
Jack konnte sich nicht lange auf Naomi oder McDonalds konzentrieren, denn seine Gedanken kreisten um die sensationelle Entdeckung des Nachmittags. Es lag, ein unscheinbares längliches Bündel, in seinem Arbeitszimmer, zusammen mit den Briefen, die seine Authentizität bestätigten. Das Schwert des Propheten. Das echte Schwert, keine Fälschung. Er hatte diverse angebliche Schwerter Mohammeds gesehen, einige in Istanbul und auch das in der Hussein-Moschee in Kairo. Fälschungen, allesamt, davon war er überzeugt. Hingegen hatte gleich beim ersten Blick auf Mehdis Fund sein Gefühl etwas anderes gesagt.
»Was ist los, Schatz? Du siehst aus, als wärst du in Gedanken ganz weit weg.«
»Wie?« Er schrak auf und sah, dass Emilia ihn über den Tisch hinweg besorgt musterte. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe ein paar Probleme bei der Arbeit.«
Er hatte beschlossen, das Schwert nicht zu erwähnen, bis Naomi im Bett war. Wie er seine Tochter kannte, würde sie darauf bestehen, es mit in die Schule zu nehmen, um es ihrer Lehrerin und der Klasse zu zeigen. Er schauderte bei dieser Vorstellung und dem Gedanken an das unvermeidliche Theater, das es geben würde, wenn er sagte, das geht nicht .
»Haben wir das nicht alle?«, bemerkte Emilia. »Wie dem auch sei, du hast soeben verpasst, wie wir Frauen die Dinge regeln. Deine Tochter und ich ...«
»Du wolltest sagen: ›Meine Tochter und ich ...‹«
»Meinetwegen. Egal. Sie und ich haben entschieden, dass es an diesem Wochenende zu McDonalds geht, Samstagabend, um genau zu sein. Wirst du mitkommen können, oder hast du zu viele von diesen – Problemen?«
Er wand sich.
»Mehdi hat mich um eine Expertise gebeten ...«
»Erzähl mir was Neues. Jack, das kleine Mädchen hier ist deine Tochter. Du musst sie besser kennenlernen. Nimm dir Samstagabend frei. Es wird dir guttun.«
»McDonalds?«
»Denk nicht an das Essen. Betrachte es als goldene Stunden mit deiner Tochter.«
»Das bedeutet, ich muss ...« Er überlegte blitzschnell. »In Ordnung, ich werde morgen hier zu Hause an Mehdis Expertise arbeiten. Den Vorlesungstext für nächste Woche kann ich am Sonntag schreiben. Könntest du ...? Würde es dir etwas ausmachen, Mehdi Mussa morgen früh eine Nachricht zu bringen? Er wohnt immer noch in Esbekija.«
»Jack, das ist ein ziemlicher Umweg. Es ist auch so schlimm genug, sich allmorgendlich durch den Verkehr zur Botschaft zu quälen. Und wer bringt Naomi zur Schule?«
»Ich würde es tun, aber so schnell ist der Wagen nicht fertig. Jimmy hat gesagt, er schleppt ihn heute Abend ab. Übrigens wird er nachher die Schlüssel holen. Vornehmen wird er sich den Wagen erst morgen früh, und wahrscheinlich nicht gleich als ersten, je nachdem was er vorher noch an dringenden Fällen zu erledigen hat.«
»Gut, ich bringe Naomi zur Schule. Ich kann über die Al-Sheikh-Rihan-Street fahren und dann nach oben abbiegen. Auf der Straße des 26. Juli kommt man vielleicht einigermaßen glatt durch bis Zamalek. Aber wenn der Wagen bis morgen Nachmittag fertig ist, holst du sie von der Schule ab und fährst sie zum Musikunterricht.«
Naomi ging früh zu Bett. Jack wollte Emilia das Schwert zeigen, aber sie kam ihm zuvor, indem sie meinte, auch für Erwachsene sei jetzt Schlafenszeit.
»Ich gehe nach oben«, sagte sie. »Du kannst nachkommen, wenn du willst.«
Im Nu war jeder Gedanke an das rostige Schwert verdrängt von freudiger Erwartung der Dinge, die möglicherweiseim Schlafzimmer seiner harrten. Er folgte ihr die Treppe hinauf.
Emilia verschwand im Badezimmer, um ihr Make-up zu entfernen. Wenige Minuten später öffnete sie die Schlafzimmertür. Jack, im Begriff, sich auszuziehen, hob den Kopf. Sie war
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