Das Schwert - Thriller
werden sie nicht vermissen.«
Samiha legte den Blazer auf einen freien Stuhl und öffnete den Reißverschluss des Rocks. Die Frau half ihr, den Sprengstoffgürtel abzunehmen. Hiba stand auf und befestigte ihn, wieder mit der Hilfe der Frau, um Taille und Oberschenkel. Er passte genau, ebenso der Blazer und der Rock. Ihr hatte man die gleiche Kurzhaarfrisur geschnitten wie Samiha. Sie ist recht hübsch, dachte Samiha. Hat sie Eltern, einen Mann, Kinder? Oder ist sie eine dieser Bräute des Himmels, die den Tod den Vergnügungen des Lebens vorziehen?
»Die Mission geht dich nichts mehr an«, fuhr die Frau fort. »Zieh das hier wieder an, und ich erkläre dir, wie es weitergeht.« Sie reichte ihr Rock und Jacke – diesmal nicht von Dior.
Samiha fröstelte. Was mochte man sich jetzt für sie ausgedacht haben? Sie stieg in den Rock und zog ihn über die Hüften.
»Du bekommst neue Papiere«, sagte die Frau. »Und einen neuen Namen. Du reist mit einem gefälschten amerikanischen Pass auf den Namen Samiha Brookes, eine Amerikanerin arabischer Herkunft, die sich beruflich in Haifa aufgehalten hat. Einzelheiten später. Ein anderes Auto bringt dich heute Abend nach Haifa, dort gehst du an Bord einer Fähre der Salamis Lines, die punkt 21.00 Uhr ablegt. Morgen früh um 8.00 Uhr bist du in Limassol. Man wird dich am Hafen erwarten und zum Lanarca Airport bringen. Von dort fliegst du mit Helios Airlines nach Kairo.«
»Kairo?«
»Unterbrich mich nicht. Am Flughafen in Kairo erwartet dich eine Frau. Ihr Name ist Fatima. Du brauchst dir nicht den Kopf zu zerbrechen, wie du sie findest, sie findetdich. Wie es danach mit dir weitergeht, weiß ich nicht, und es ist mir auch egal. Hier sind alle froh, wenn wir dich von hinten sehen.«
»Und wenn ich einfach auf Zypern bleibe?«
»Wird man dich töten. Und deine Kinder. Nun los – dein Taxi wartet unten.«
11
Trautes Heim
Zamalek, Kairo
Jack kam mit zwanzig Minuten Verspätung bei Naomis Schule an. Doch Verspätungen wurden in Kairo nicht übel genommen; jeder wusste um den hoffnungslosen Zustand der Straßen hier.
Naomi wartete im Büro der Direktorin und schien seine Unpünktlichkeit gar nicht bemerkt zu haben. Sie war in Perraults Feenmärchen vertieft, ihr Geburtstagsgeschenk, mit Illustrationen von Dulac. Jack war zu seinem größten Erstaunen an einem Stand auf dem Büchermarkt in Esbekija auf ein Exemplar einer englischen Ausgabe von 1912, in erstklassigem Zustand und zu einem absoluten Schnäppchenpreis, gestoßen.
»Du kommst gut voran damit«, meinte er und bückte sich, um ihr einen Kuss zu geben. »Bei welcher Geschichte bist du jetzt?«
»Die Schöne und das Tier. Ich verstehe nicht, wie das Mädchen sich in das grässliche Ungeheuer verlieben kann.«
»Na, du wirst schon noch dahinterkommen. Frag deine Mutter, immerhin liebt sie mich.«
»Aber du bist auch kein grässliches Ungeheuer.«
»O doch, das bin ich. Du selbst hast mir das an den Kopf geworfen, mehr als einmal.«
»Früher, als ich noch klein war. Jetzt bin ich schon fast erwachsen, findest du nicht?«
» Fast erwachsen. Wie war dein Schultag?«
»Miss Maxwell ist ausgerastet und hat uns gezwungen, eine halbe Stunde still dazusitzen, ohne zu sprechen. Es war schrecklich.«
»Tja, ich bin sicher, sie hatte ihre Gründe.«
Das kleine Mädchen zog eine Grimasse und verstaute das Buch in ihrem Rucksack. Sie hatte langes blondes Haar wie ihre Mutter und würde wie sie zu einer Schönheit heranwachsen. Außerdem hatte sie Emilias sonderbare Augen geerbt: Die Iris des linken Auges war meergrün, die des rechten aquamarinblau. Was Jack an seiner Tochter am besten gefiel, war ihr Selbstbewusstsein. Anders als viele Kinder hielt sie sich beim Gehen aufrecht und bewegte sich mit einer natürlichen Anmut, und selbst beim Spielen mit den anderen Mädchen verlor sie nie eine gewisse Würde.
»Das sagst du immer«, maulte sie. »Nie verteidigst du mich.«
»Ich tu’s, wenn es nötig ist. Aber deine Mutter arbeitet mit Diplomaten, deshalb müssen wir alle ein wenig diplomatisch sein.«
Er ging mit ihr zum Auto, und sie traten die Heimfahrt an. Ungefähr drei Straßen von der Wohnung entfernt, gab der Motor den Geist auf und trotzte allen Wiederbelebungsversuchen. Der Tank war halb voll, daraus folgerte Jack, dass irgendetwas an der Technik nicht in Ordnung war.
»Keine Müdigkeit vorschützen«, sagte er. »Das letzte Stück gehen wir zu Fuß.«
Garden City
Emilia wartete schon, wie er prophezeit
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