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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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und drehte mir den Rücken zu. »Vielleicht«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstand. »Aber vielleicht auch nicht.«
    Am nächsten Morgen tauchte Hermann mit einem Brotkorb auf, so als wäre nichts geschehen. Wir teilten uns die verschimmelten Kanten. Sie reichten aus, um mir das Schwindelgefühl zu nehmen und die Krämpfe in meinem Magen zu beruhigen.
    Noch während wir aßen, stand Konrad auf und setzte sich neben Hermann, um sich leise mit ihm zu unterhalten. Ich hielt den Atem an, wartete auf einen Aufschrei, einen Faustschlag, einen Stoß, aber nichts geschah. Ab und zu lachten die beiden sogar.
    Erik sah mich an, als wollte er fragen, was das sollte, während Lena in ihren Umhängen zu verschwinden schien. Sie wagte es nicht einmal, in Hermanns Richtung zu blicken.
    Konrad verbrachte fast den ganzen Tag mit Hermann und auch den nächsten. Am Morgen des dritten Tages verließ er unser Feuer. Als er zurückkehrte, trug er die Armbinde der Brüder.

Kapitel 20
    Es traf Erik härter als mich. Schweigend und mit gesenktem Kopf hinkte er neben mir her, an der einen Seite auf mich, an der anderen auf einen Stock gestützt. Ich versuchte einige Male mit Konrad zu reden, aber er wimmelte mich ab und ging mir und Erik schließlich ganz aus dem Weg. Am Abend blieb er unserem Feuer fern, saß stattdessen bei einigen Brüdern, darunter auch Hugo und Cornelius.
    »Was habe ich ihm denn getan?«, fragte Erik, als wir nachts unter einem stumpfen, schwarzen Himmel lagen. »Wieso mag er mich nicht mehr?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Es war die Wahrheit.
    Regen weckte uns im Morgengrauen. Wir aßen das wenige Brot, das Hermann uns gebracht hatte, dann zogen wir uns die Umhänge über die Köpfe und marschierten weiter. Der Regen war schwer und kalt, drückte uns nieder. Wie Schildkröten unter einem Panzer aus Wasser kämpften wir uns den Berg empor.
    Und blieben stehen, als die Menschen vor uns anhielten.
    Ich wollte Erik bei einem Karren zurücklassen, aber er weigerte sich, dort zu bleiben. Er hatte Angst, das sah ich ihm an. Sein bester Freund hatte ihn verlassen, außer mir war ihm niemand geblieben.
    Also schoben wir uns gemeinsam durch die Menge, obwohl es mühsam war und wir nur langsam vorankamen. Schließlich öffneten sich die Felsen zu beiden Seiten und gaben den Blick auf ein Plateau frei, das in einem Abgrund endete.
    Ich ging näher heran. Mir wurde schwindelig, als ich einen Blick in die Schlucht warf, die sich unter uns erstreckte. Sie war nicht breit, aber so tief, als hätte der Teufel selbst mit seiner Kralle eine Furche bis in die Hölle ziehen wollen. Schroffe, moosbewachsene Felsen glänzten im Regen. Ein Fluss warf sich rauschend gegen sie. Verkrüppelte, halb kahle Bäume krallten sich in die Steilwände.
    Auf beiden Seiten der Schlucht befanden sich große Holzkonstruktionen, von denen durchtrennte und zerfaserte Seile hingen. Wasser tropfte von ihnen herab. Am Boden der Schlucht sah ich zertrümmerte Bretter.
    »Das müssen die Soldaten gewesen sein«, hörte ich Lukas sagen. »Verdammte Scheißheiden.«
    Er ging auf dem Plateau auf und ab. Nicolaus stand vor ihm und drehte den Stab zwischen den Fingern seiner rechten Hand. Ich sah Konrad mit einigen Brüdern in seiner Nähe. Sie warfen Steine in die Schlucht. Als er mich bemerkte, stellte er sich so, dass der Körper eines Bruders ihn verdeckte.
    »Was jetzt?«, fragte Lukas. »Wir können keine neue Brücke bauen, und ich wette mit dir, dass die Soldaten schon auf uns warten, wenn wir zurückgehen.«
    »Vielleicht lässt Gott uns ja Flügel wachsen.« Die Bemerkung kam von Ott, natürlich. Einige Kinder lachten.
    Nicolaus warf ihm einen kurzen Blick zu, dann wandte er sich an Lukas. »Nicht die Soldaten haben uns die Brücke genommen, sondern der Herr. Er will, dass wir einen anderen Weg nehmen. Also zweifle nicht an ihm, sondern befolge seinen Befehl.«
    Lukas breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus. »Sag mir, wie ich das tun soll. Wo ist der Weg, auf den uns Gott führen will?«
    »Hier?«
    Ich drehte den Kopf, als ich Konrads Stimme hörte. Er stand am Rand des Plateaus, dort, wo es mit den Wänden der Schlucht verschmolz, und bog einige Sträucher auseinander. »Hier ist ein Pfad«, sagte er. »Aber ich weiß nicht, wie weit er geht.«
    Nicolaus lächelte, dann verkrampfte sich auf einmal sein ganzes Gesicht. Tiefe Falten bildeten sich um seine hochgezogenen Mundwinkel, seine Lippen wurden schmal und weiß. Er

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