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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zuckte mit dem Kopf, sein linkes Auge begann zu schielen.
    Einen Lidschlag später war es vorbei. Sein Gesicht entspannte sich, die Falten verschwanden. Nur seine Pupille verharrte im Augenwinkel.
    »Weit genug«, sagte Nicolaus. »Gott hat deinen Blick nicht umsonst dorthin gelenkt.« Er stutzte, schien erst in diesem Moment zu bemerken, dass wir ihn anstarrten. »Was ist?«
    Erik öffnete den Mund, aber ich kam ihm zuvor. »Nichts. Es überrascht uns nur, wie schnell sich alles fügt.«
    »Das sollte es nicht, Madlen. Gerade du hast die Hand des Herrn schon oft gespürt. Zweifle nicht an ihm, wie es andere tun.«
    Die Bemerkung galt Lukas, doch der stand bereits neben Konrad und hörte sie nicht; er hatte den ganzen Zwischenfall nicht mitbekommen. Ich fragte mich, ob Nicolaus auf dem linken Auge überhaupt noch etwas sah. Noch bevor ich den Gedanken zu Ende führen konnte, glitt seine Pupille zurück in die normale Position. Nicolaus griff sich an die linke Schläfe und blinzelte.
    »Was geschieht mit ihm?«, flüsterte Erik.
    »Das geht nur ihn und den Engel etwas an. Wir sollten uns nicht einmischen.«
    Erik starrte mich an. »War das der Engel?«
    Ich nickte.
    »Er hat recht«, rief Lukas herüber. »Hier ist ein Pfad, aber er ist zu schmal für die Karren. Wir sollten zuerst jemanden vor schicken, bevor wir …«
    Nicolaus ließ ihn nicht ausreden. »Ladet die Karren ab. Nehmt, was ihr tragen könnt. Kommt!«
    Ein fast schon fiebriger Eifer ergriff von ihm Besitz. Er wedelte mit den Armen, als wollte er Hühner aufscheuchen. Ott gab seinen Befehl weiter, rief ihn in die Menge hinein.
    Ich berührte Erik an der Schulter. »Bleib hier. Ich bin gleich wieder da.«
    Er wollte widersprechen, aber ich ließ ihn einfach stehen. Wir hatten nicht viel Zeit. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lukas zu den Brüdern lief und sie in Richtung der Karren stieß. Ich war nicht die Einzige, die erkannt hatte, welche Gelegenheit sich hier bot. Kinder und Heranwachsende stürmten auf die Ochsenkarren zu, die Nahrung geladen hatten. Ich sah, wie ein Mädchen versuchte, einen Mehlsack herunterzuziehen, der fast so groß wie es selbst war. Zwei Jungen kamen hinzu, stießen das Mädchen zur Seite, nur um selbst von einem größeren Jungen weggeschubst zu werden.
    Ich kämpfte mich zu einem Karren mit Broten und Fässern voller Dörrfleisch durch. Ein kleines Mädchen kam mir entgegen, hielt ein in Stoff eingeschlagenes Brot in den Armen, presste es mit gesenktem Kopf an sich wie eine Mutter einen Säugling. So schnell lief es an den Beinen der Größeren vorbei, dass niemand den Reichtum in seinen Armen bemerkte.
    Keine Armeslänge trennte mich von dem Karren, doch die Menge wogte hin und her. Ich musste mich in ihr treiben lassen, konnte nicht meinen eigenen Weg gehen. Als ich dem Karren endlich wieder nahe kam, hörte ich bereits die Schreie der Brüder, sah, wie sich die Menge teilte und Lukas hindurchschritt, umgeben von Brüdern mit Schwertern und Knüppeln in den Händen.
    Ich streckte mich, versuchte einen der Brotlaibe zu greifen, aber es war zu spät. Die Menge wich zurück und ich mit ihr. Die Brüder sammelten sich rund um den Karren.
    »Hört auf!«, schrie Lukas. »Ihr wollt stehlen, was allen zusteht!«
    Vielleicht stimmte das, doch es waren nicht seine Worte, die uns verharren ließen, sondern die Waffen der Brüder. Die Menge löste sich auf.
    Ich fand Erik dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Er lehnte an einem Felsen und winkte, als er mich sah.
    »Ich habe versucht, etwas zu essen zu bekommen«, sagte ich, »aber die Brüder waren schneller.«
    Erik hob die Schultern. »Macht nichts.«
    Er sah sich um. Hinter uns wurden die Ochsen ausgespannt. Menschen luden sich Säcke mit Kleidung auf den Rücken. Die Lebensmittel verteilte Lukas auf die Brüder.
    »Sieh mal«, sagte Erik leise, als er sich sicher war, dass uns niemand beobachtete.
    Mit einer Hand zog er den Kragen seines nassen Hemdes nach unten. Die Kante eines Brotlaibs kam hervor und etwas, das in Stoff eingeschlagen war.
    »Käse«, flüsterte er.
    Mein Magen begann zu knurren. Ich musste Speichel hinunterschlucken, bevor ich antworten konnte. »Woher hast du das?«
    Er grinste. »Es lag heute Morgen unter meinem Umhang. Konrad muss es mir zugesteckt haben.«
    Ich war so erleichtert, dass ich ihn umarmte. Der Brotlaib unter Eriks Hemd drückte gegen meine Rippen. »Du darfst niemandem etwas davon erzählen, hörst du?«
    »Ich weiß.«
    »Hast du mit

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