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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Konrad gesprochen?«
    »Nein. Als ich wach wurde, war niemand da, nur das Brot lag dort.« Erik ließ den Kragen los und zog seinen Umhang über dem Hemd zusammen. Die Ausbeulung darunter war kaum zu sehen.
    Ich ergriff seinen Arm und stützte ihn, als er einen Schritt nach vorn machte.
    »Konrad hat uns nicht verlassen«, sagte Erik. »Und er ist immer noch mein Freund.«
    »Ja.« Sorge mischte sich in meine Erleichterung. Ich wischte mir Regenwasser aus den Augen. »Wir müssen sehr vorsichtig sein, Erik. Wir dürfen nur essen, wenn es keiner sieht. Konrad riskiert sehr viel für uns.«
    Er nickte. Sein Gesicht wirkte ernst.
    Wir schlossen uns der ersten Gruppe hinter Nicolaus an.
    Bevor wir den Pfad betraten, riss ich ein Stück Stoff aus meinem Hemdsärmel und band es an einem Strauch fest, so wie ich es bei jeder Abzweigung getan hatte. Die ersten Male hatte Erik noch gefragt, wann Diego uns wohl einholen würde, mittlerweile schwieg er.
    Der Pfad war schmal. Nur zwei Menschen konnten nebeneinander hergehen, ohne dem Abgrund zu nahe zu kommen. Erik bat darum, an der Felswand gehen zu dürfen. Wir tauschten die Plätze. Nur eine Armeslänge von mir entfernt wurde aus dem Pfad eine Steilwand, die bis zum Grund der Schlucht reichte. Lange, dürre Äste ragten bis zu uns herauf. Sie sahen aus wie Klauen.
    Vor uns hüpfte Nicolaus’ Schäferstab auf und ab. Hinter uns hörte ich lautes Muhen und Fluchen. Die Ochsen weigerten sich anscheinend, den Pfad zu betreten. Vielleicht würden einige Menschen zurückbleiben, um sie zu schlachten, vielleicht vertrauten sie aber auch auf das, was Nicolaus gesagt hatte. Ich wusste nicht, welche Entscheidung sie trafen, aber irgendwann verstummte das Muhen.
    Der Regen, der nachgelassen hatte, als wir auf dem Plateau standen, wurde wieder stärker. Graue Schwaden stiegen aus der Schlucht empor. Die Wolken hingen so tief, dass wir die Berge nicht mehr sehen konnten. Die Felsen glänzten nass, große Pfützen standen auf dem Weg. Jemand begann halbherzig zu singen, aber das Prasseln des Regens übertönte das fromme Lied. Mir war kalt. Eriks Lippen zitterten.
    »Das Brot wird ganz nass«, flüsterte er.
    »Dann ist es wenigstens weich, wenn wir nachher davon essen.«
    Er lächelte und zog die Schultern hoch. Ich hatte Angst, dass sein Fieber zurückkommen würde, wenn wir nicht bald einen Unterschlupf fanden.
    Der Pfad wurde schmaler, Erik und ich drängten uns aneinander. Ich richtete den Blick auf meine Füße, versuchte nicht an den Abgrund neben mir zu denken. Einmal glaubte ich einen Schrei weit hinter uns zu hören, aber als ich den Kopf drehte, sah ich nur Menschen, die wie wir durch den Regen schlurften.
    Und dann blieb Nicolaus stehen. Ich bemerkte es erst, als die Kinder, die vor mir gingen, ebenfalls stehen blieben. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen.
    Nicolaus winkte und zeigte mit seinem Stab auf etwas in der Felswand. Er kniete nieder, betete und bekreuzigte sich. Dann ging er weiter.
    Wir warteten, während vor uns eine Reihe nach der anderen das Gleiche tat. Erik wurde immer ungeduldiger, je näher wir der Stelle kamen. Als wir sie schließlich erreichten, wirkte er im ersten Moment enttäuscht, denn wir sahen nur eine Nische im Fels. Ich trat heran – und sah die Statue.
    Sie war so groß wie Erik. Man hatte sie aus dem Stein geschlagen, jedoch mit einem Geschick, wie ich es sonst nur aus großen Kathedralen kannte. Es war eine Frau. Sie trug ein langes Gewand, und ein Schal bedeckte ihr Haar. Ich sah den feinen Schnitt ihres Gesichts und den Faltenwurf des Kleides, das bis auf ihre nackten Füße fiel. Eine Hand hatte sie erhoben, als wollte sie all die grüßen, die den Weg zu ihr gefunden hatten, die andere war abgebrochen und lag vor ihr auf dem Boden. Eine Tonvase stand daneben, die Blumen darin waren vertrocknet.
    Ich fiel auf die Knie und betete. Ich betete für Konrad, für Hugo, für Erik und Nicolaus, der uns zu ihr geführt hatte. Und nach kurzem Zögern betete ich auch für Diego.
    »Ist das die Mutter Gottes?«, fragte Erik, als ich mich erhob. Meine Kleidung war so schwer und nass, dass ich mich am Fels abstützen musste.
    Ich nickte.
    »Wird sie böse, wenn ich nicht vor ihr knie?«
    »Nein, sie versteht, warum du das nicht kannst. Bete ruhig zu ihr.«
    Erik wirkte verschüchtert, als er mir seinen Stock reichte und die Hände faltete. »Amen«, sagte er nach einem kurzen Moment.
    »Willst du nicht noch mehr sagen?«, fragte ich.
    Er schüttelte

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