Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
hat.«
Die Jungen, die vor ihm standen, sahen sich an. »Du isst nichts?«, fragte Andreas nach einem Moment. Es klang nicht so, als würde er ihm glauben.
»Bete, dann wirst auch du befreit werden.« Nicolaus setzte sich in Bewegung, und die Menschen machten ihm Platz, als er zwischen ihnen hindurchschritt, um dann die Straße entlangzugehen und schließlich neben einer kleinen Gruppe Kreuzfahrer stehen zu bleiben. Sie knieten vor ihm nieder, er segnete sie und half ihnen auf. Uns beachtete er nicht mehr.
»Es stimmt«, sagte Gottfried. »Ich habe ihn noch nie essen s ehen.«
Andere nickten. Ich dachte an das Bankett in Speyer. Dort hatte er gegessen, wohl aus Höflichkeit. Seitdem hatte er in meiner Gegenwart keinen Bissen mehr zu sich genommen.
»Stell dir nur mal vor, wie das wäre, nie wieder hungrig zu sein.« Konrad legte ein paar Äste und Zweige neben mir auf den Boden. Er und Ott hatten den Tag damit verbracht, Feuerholz zu sammeln. Sie hatten kaum etwas gefunden.
Ott kratzte sich. »Gibt nur zwei Wege, wie du das erreichen kannst, Junge. Werd ein König oder ein Heiliger. Kannst du dir aussuchen.«
Andreas grinste, Konrad verzog das Gesicht. »Ich hab nicht gemeint, dass es so kommen wird, nur dass es schön wäre.«
Ott brach einen Ast über dem Knie entzwei. Sein Blick verlor sich in der Ferne. »Ja«, sagte er überraschend leise, »das wäre es.«
Wir kümmerten uns nicht mehr um die Jungen und Mädchen, die aufgeregt über das Wunder sprachen, das Gott an Nicolaus vollbracht hatte. Ruhig schichteten wir das Feuerholz auf, während hinter uns Gebete laut wurden. Gottfried leitete sie.
Ich sah, wie Konrad sich umdrehte. »Willst du mit ihnen beten?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass sie es richtig machen.«
Wir warteten, bis die Kälte durch den Boden in unsere Körper zog, bevor wir das Feuer anzündeten. Die Nacht war lang, und wir wollten das Holz nicht verschwenden. Eingehüllt in unsere Umhänge, die Beine dicht an den Körper gezogen, saßen wir da und starrten in die Flammen.
Erik lehnte an einem Stein. Sein verletztes Bein hatte er ausgestreckt. Er trank verdünnten Wein, den Lena in der Asche des Feuers erhitzt hatte. Wir anderen tranken Wasser, das aus Felsspalten tropfte, und mischten Kräuter vom Wegesrand hinein. Das Wasser war reiner und klarer als alles, was ich je zuvor getrunken hatte.
An den Feuern um uns herum wurde bereits gegessen. Wir warteten auf Hermann, aber als er schließlich kam, brachte er nicht unser Abendessen mit, sondern Lukas und Hugo.
Sie sahen Lena an.
»Steh auf«, sagte Lukas.
»Warum?« Lena stocherte mit einem Ast im Feuer, Funken stoben in den dunklen Himmel.
»Weil ich dich darum bitte.«
Hugo machte einen Schritt auf sie zu. Sein Schatten fiel über ihr Gesicht. »Du hörst doch, was Lukas sagt. Steh auf.«
»Geht es um heute Morgen?«, fragte Lena. Ihre Stimme kam aus der Dunkelheit, die Hugos Schatten schuf. »Um das, was ich zu Hermann gesagt habe?«
Niemand antwortete. Hermann trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Er wagte es nicht, jemanden anzusehen.
Hugo ergriff Lenas Arm. »Komm.«
Sie ließ sich ohne Gegenwehr hochziehen und vom Feuer wegführen. Bevor sie aus dem Schein der Flammen verschwand, drehte sie noch einmal den Kopf. »Wartet nicht mit dem Essen auf mich.« Ihr Lächeln wirkte verkrampft.
Lukas schüttelte den Kopf. »Es wird heute Abend kein Essen an diesem Feuer geben. Betet und fastet. Das wird eurer Seele guttun. Und eurer Demut«, fügte er mit einem Blick auf mich hinzu. Nur Konrad bemerkte es.
Schweigend blieben wir am Feuer zurück. Die Leere in meinem Magen schmerzte.
»Was werden sie mit ihr machen?«, fragte Erik nach einer Weile mit leiser Stimme.
»Ihr wird nichts geschehen«, sagte ich. »Hab keine Angst.«
Else stieß so laut die Luft aus, dass ich es über das Prasseln des Feuers hörte. »Natürlich wird ihr etwas geschehen. Sie hat einen Bruder beleidigt.«
»Das war doch nur Hermann.« Erik streckte sich vorsichtig aus. Konrad reichte ihm eine Decke, dann rollte er sich in seinen Umhang ein. Er war merkwürdig still.
»Einen Bruder«, wiederholte Else. »Lukas sagte doch, dass wir sie wie Priester behandeln sollen. Würdest du einen Priester beleidigen?«
»Nein.« Erik kratzte sich an seinem Verband. »Aber Lena ist nett. Ich will nicht, dass ihr etwas geschieht.«
Ich mischte mich ein, bevor Else etwas darauf sagen konnte. »Wenn dir wirklich etwas
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