Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
an Lena liegt, dann bete für sie. Das sollten wir vielleicht alle tun.«
Ich faltete die Hände. Die anderen senkten die Köpfe und murmelten leise vor sich hin, auch Else, nur Konrad nicht. Er lag mit geschlossenen Augen unter seinem Umhang und tat so, als würde er schlafen. Seine unregelmäßigen Atemzüge verrieten ihn jedoch. Er dachte nach, doch worüber, das kann ich nicht sagen.
Ich wollte nicht einschlafen, aber schließlich tat ich es doch, schreckte erst hoch, als eine Hand meine Schulter berührte.
Lena hockte neben mir am Boden. Ihre Augen waren verquollen und gerötet, so als habe sie geweint. Sie hielt ihren Wollumhang in beiden Händen, presste ihn fest gegen die Brust.
»Lena.« Ich sah mich um. Es war noch dunkel. Im Lager herrschte Stille.
Lena schluchzte so plötzlich, dass ich zusammenzuckte. Erik öffnete die Augen, Konrad hob den Kopf. Auf der anderen Seite des Feuers setzten sich Else und Demuth auf.
»Was ist denn los?«, flüsterte ich. »Was haben sie getan?«
»Es tut mir so leid, dass ihr nichts zu essen bekommen habt.« Durch das Schluchzen konnte ich Lena kaum verstehen. Ich wollte sie in den Arm nehmen, aber sie wich zurück, als sie meine Absicht erkannte.
»Ist nicht schlimm«, sagte Erik. Er stützte sich auf die Ellenbogen. »Dann essen wir eben morgen.«
»Niemand ist dir böse«, fügte ich leise hinzu. Ich wollte nicht, dass Else meine Worte hörte und widersprach. »Du musst keine Angst haben.«
Sie nickte. Ihr Schluchzen verstummte.
»Haben sie dir weh getan?«, fragte ich.
Lena nickte erneut. Sie drehte sich, bis ich ihren Rücken sehen konnte. Ihr Hemd war zerrissen, wülstige lange Striemen bedeckten ihre Haut. An einigen Stellen waren sie aufgeplatzt, hatten Spuren geronnenen Blutes hinterlassen.
Etwas verkrampfte sich in mir. Ich griff nach einem Wasserschlauch. Erik reichte mir das Leinen, das ich für seinen Verbandswechsel am nächsten Morgen zurechtgelegt hatte.
»Wer war das?«, fragte er. In seinen Augen standen Tränen der Wut. Mir wurde auf einmal klar, dass er in Lena verliebt war.
»Die Brüder … Lukas …« Lena ließ ihren Umhang sinken, als ich begann, die Wunden abzutupfen. »Ist doch egal, wer es war.«
Ihre Resignation war die einer alten Frau.
»Hugo?« Ich wollte es nicht wissen, trotzdem musste ich fragen.
»Ja, auch Hugo.«
Ich biss mir auf die Lippen. Konrad zog die Knie unters Kinn und starrte in das niedergebrannte Feuer. Als ich mit den Wunden fertig war, stand Else auf der anderen Seite auf. Sie schüttelte den Wollumhang aus, auf dem sie gelegen hatte, und kam he rüber.
»Hier«, sagte sie. »Falls dir kalt wird.«
Lena nahm den Umhang und legte ihn sich um die Schultern. Sie wirkte überrascht. »Danke.«
Else blieb einen Moment unsicher stehen. »Das war falsch von ihnen«, sagte sie dann. »Sie hätten das nicht tun dürfen.«
»Ja.« Lena legte sich vorsichtig auf die Seite. »Ich weiß.«
Ich schüttelte den Kopf, als ich sah, dass Else fortfahren wollte. »Lass sie schlafen.«
Sie wirkte aufgewühlt. »Die Strafe war viel zu hart. Nicolaus muss davon erfahren.«
»Nicolaus wird nichts unternehmen.« Es waren die ersten Worte, die Konrad in dieser Nacht sprach. »Ihn interessiert nur, was der Engel sagt. Wir müssen allein klarkommen. Wie immer.«
Else sah ihn an und runzelte die Stirn. »Das stimmt nicht. Nicolaus ist unser Schäfer, wir sind seine Herde. Wir bedeuten ihm viel.«
Konrad beachtete sie nicht mehr. Sie wartete auf seine Antwort. Als sie ausblieb, drehte sie sich um und ging zurück zu ihrem Schlafplatz.
»Denkst du das wirklich?«, fragte ich Konrad leise.
Er hielt den Blick auf das Feuer gerichtet. »Was soll ich denn sonst denken? Nicolaus ist mit seinen Gedanken bereits im Himmel, und wir sind hier unten. Er sieht uns doch gar nicht mehr.«
»Nicolaus führt uns. Das ist die Aufgabe, die Gott ihm gegeben hat. Wir folgen ihm, so gut wir können.«
»Und werden dabei ausgepeitscht und müssen hungern.«
Die Verbitterung, mit der er sprach, schien lange in ihm gegärt zu haben. Ich befürchtete, dass er seine Worte auch anderen gegenüber wiederholen würde.
»Es gibt eine natürliche Ordnung in der Welt, Konrad«, sagte ich eindringlich. »Jedem wird ein Platz zugewiesen, in der Burg, der Tischlerei, auch hier im Kreuzzug. Es geht nicht anders, sonst würde doch Chaos ausbrechen. Finde dich mit deinem Platz ab. Den Rest wird Gott richten, so wie Nicolaus es sagt.«
Konrad legte sich hin
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