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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Schweiß von der Stirn. Dann hob sie den Zeigefinger und sah Konrad und Cornelius an. »Seht gut hin und merkt es euch. So was blüht jedem, der es nicht schafft, ein anständiger Mensch zu sein.«
    Die beiden Jungen wichen zurück.
    »Das werden sie, Schwester«, versicherte ich ihr. »Danke.«
    Cornelius fuhr nicht mit seiner Geschichte fort. Der Anblick des Verbrechers am Pranger und die Worte der Fischhändlerin hatten ihn offenbar eingeschüchtert. Verstohlen griff er nach meiner Hand. Ich nahm sie in die meine, ohne dass Konrad etwas davon bemerkte.
    Wir setzten uns in einen vernagelten Hauseingang nahe der Kirche. Die Sonne wärmte uns, der Boden war trocken. Wir waren nicht die einzigen Bettler auf dem Platz. Ich sah einige Kinder, die ich von der Reise kannte, aber auch viele Krüppel, die in der Stadt ihr Dasein fristeten und auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen waren. Nicolaus hatte von ihnen die Erlaubnis erhalten, in der Stadt zu betteln, so hatte ich es zumindest gehört.
    Konrad zog einen Beutel aus dem Gürtel und legte ein paar Steine hinein, damit Passanten glaubten, schon andere hätten etwas gegeben. Hugo hatte ihm erklärt, dass man das so machte, nachdem er es wiederum von einem Bettler gelernt hatte.
    Cornelius ahmte ihn nach und sagte: »Mein Vater gibt Bettlern immer etwas, einmal sogar ein ganzes Huhn. Ich war dabei.«
    Seit er den Pranger nicht mehr sehen musste, war die Farbe in seine Wangen zurückgekehrt.
    Konrad beachtete ihn nicht. »Gebt!«, rief er. »Spendet für die gerechte Sache Gottes!«
    Ich lehnte mich gegen die Bretter des vernagelten Eingangs und lauschte mit geschlossenen Augen Konrads Rufen und Cornelius’ endlosen Geschichten. Irgendwann zerflossen die Stimmen und die Laute des Marktes miteinander, wurden leiser und verstummten schließlich ganz.
    »Gehört ihr zum Kreuzzug?«
    Ich öffnete die Augen und blinzelte. Eine Frau stand vor uns, hohlwangig und gekrümmt.
    »Ja«, sagte Cornelius und reckte das Kinn vor. »Wir sind Streiter Gottes und werden das Heilige Land befreien.«
    Die Frau zögerte. »Mein Mann …«, begann sie. »Er ist im letzten Winter gestorben. Er hatte schlechtes Blut und ich … ich habe es jetzt auch.« Sie war kaum älter als ich, aber die Krankheit hatte tiefe Falten in ihr Gesicht gegraben. »Ich habe niemanden, an den ich mich wenden könnte, und meine Kinder …« Tränen erstickten ihre Stimme.
    Cornelius sah weg. Konrad drehte den Beutel in seinen Händen. Darin klimperte es bei jeder Bewegung.
    »Meine Kinder haben auch niemanden.« Die Frau sah nur mich an. »Wenn ich sie euch bringe, werdet ihr gut zu ihnen sein, ihnen zu essen geben, auf sie achten?«
    »Hast du keine andere Familie?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Gott liebt unsere Familie so sehr, dass er fast alle zu sich geholt hat.« Sie klang verbittert.
    »Deine Kinder dürfen nur mitkommen, wenn sie den Ruf des Herrn in sich hören.« Cornelius setzte sich auf. »Das hat Nicolaus gesagt. Wer ihn nicht hört, ist nicht will…«
    »Sei still.« Es waren die ersten harten Worte, die ich an ihn richtete. Er zuckte zusammen, duckte sich wie unter einem Schlag.
    Ich wandte mich wieder der Frau zu. »Bring sie zu den Rheinwiesen. Es wird ihnen gut bei uns ergehen.«
    Sie sagte nichts, nickte nur, wandte sich dann ab und hinkte wie eine alte Frau über den Platz, bis sie zwischen den Ständen verschwand.
    Ich sah Cornelius an. »Warum hast du das gesagt? Willst du, dass die Kinder verhungern?«
    Er wich meinem Blick aus. »Ich dachte nur …« Er ließ den Satz im Nichts enden, begann stattdessen einige kleine Steine auf dem Boden zu verschieben.
    Konrad stieß mich an. »Guck mal, wie dunkel der Mann da ist, Mama. Ist das ein Sarazene?«
    Er streckte den Finger aus und zeigte auf einen Mann, der vor dem Karren eines Gerbers stand und die Qualität der Felle prüfte. Er war nicht so groß wie in meiner Erinnerung.
    »Nein, er ist kein Sarazene und auch kein Ägypter.«
    »Was ist er dann?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Der dunkle Mann gab dem Gerber eine Münze und rollte das Fell zusammen, das er sich ausgesucht hatte. Plötzlich drehte er den Kopf, so als habe er meinen Blick bemerkt. Einen Moment sah er sich suchend um, dann entdeckte er mich. Er blinzelte scheinbar überrascht und lächelte.
    »Er kommt auf uns zu«, flüsterte Cornelius erschrocken. »Will er uns etwas tun?«
    Ich griff nach meinem Gebende, bevor mir einfiel, dass ich es weggeworfen hatte. Nervös

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