Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Grab befreit haben?«
»Mein Leben würde ich dafür geben.« Zum ersten Mal klang Diego so, als meine er das, was er sagte, auch ernst.
Nicolaus drehte den Schäferstab nachdenklich zwischen seinen Fingern. Lukas verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wisst ihr, was Gott im Traum zu mir gesagt hat?«, fragte Diego. Ebenso wie ich musste er erkannt haben, dass die Zeichen für seine Aufnahme nicht gut standen. »Er sagte: Sei der Lotse, der den Kapitän mit seinem Schiff in einen tückischen Hafen führt. Schenke ihm dein Wissen, auf dass der Kreuzzug siegreich ende.«
Einen Moment herrschte Stille. Niemand schien zu wissen, was die Worte bedeuten sollten. Dann plötzlich weiteten sich Konrads Augen. »Du warst schon mal im Heiligen Land!«
Diego nickte. »Ich kenne den Weg und kann euch führen.«
»Gott wird uns führen!« Lukas hatte die Worte regelrecht ausgestoßen.
»Gott hat mich geschickt, euch zu führen.«
Die Soldaten raunten untereinander. Unsicher sahen sie zu Nicolaus, der immer noch seinen Schäferstab drehte. Als Lukas Diego erbost antworten wollte, hob er die Hand. »Wenn Gott mir diese Soldaten …«, er nickte ihnen zu, »… geschickt hat, um uns zu beschützen, warum sollte er dann nicht auch diesen Mann geschickt haben, um uns zu führen?«
Niemand widersprach ihm, auch Lukas nicht.
»Knie nieder.«
Diego ging auf die Knie und neigte den Kopf. Ich lauschte dem Kreuzfahrerschwur, beobachtete aber gleichzeitig auch Lukas und erkannte, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war. Ich fragte mich, ob er an Nicolaus oder dem Spanier zweifelte.
Am Ende des Schwurs sagte Diego »Amen« und erhob sich.
Schon bald umringten ihn die Soldaten und stellten Fragen über das Heilige Land und die Sarazenen. Konrad lauschte gebannt. Ich ließ ihn stehen und machte mich auf die Suche nach Hugo. Ich fühlte mich unwohl, nervös, so als würde ich Schuld an etwas haben, das ich noch nicht mal verstand.
Ich fand Hugo am Fluss. Gemeinsam sammelten wir Treibholz, bis die Sonne über dem Rhein unterging. Erst als wir den Karren voller Holz auf die Wiese zogen, kam mir in den Sinn, dass sich Diego nach dem Schwur nicht bekreuzigt hatte.
Kapitel 7
Am frühen Morgen, noch vor Sonnenaufgang, kam die kranke Frau vorbei, mit der ich auf dem Marktplatz gesprochen hatte. Sie brachte ihre Kinder, zwei kleine Söhne und zwei ältere Töchter. Nicolaus nahm sie auf, so wie ich gehofft hatte.
Unter Tränen verabschiedeten sich die Kinder von ihrer Mutter, dann verschwand die Frau hinter den Stadtmauern Bonns. Ich war mir sicher, dass ich sie niemals wiedersehen würde.
Wir nahmen die Kinder auf, gaben ihnen Brot und Bier und jubelten, als sie ihren Schwur ablegten. Anfangs wirkten sie noch verschüchtert, doch dank der vielen anderen Kinder legten sie ihre Angst rasch ab.
Ich hatte die Nacht an Nicolaus’ Feuer verbracht und seinen Worten gelauscht. Er sagte nicht viel, doch jeder einzelne Satz erschien mir so weise wie die Worte aus der Heiligen Schrift. Ich verehrte ihn wie einen Heiligen.
Ich versuchte die gleiche Zuneigung für Lukas zu empfinden, doch das fiel mir schwer. Er wirkte schlecht gelaunt und eifersüchtig, unterbrach mich jedes Mal, wenn ich Nicolaus etwas fragen wollte. Schon am Abend drängte er auf einen baldigen Aufbruch. Schließlich, so sagte er, seien die Soldaten doch der Grund für den verlorenen Tag gewesen. Sie waren erschienen, und damit hatte sich die Vision erfüllt.
Nicolaus schien davon nicht überzeugt zu sein, aber am Morgen, nachdem die Kinder ihren Schwur geleistet hatten und wir uns zum gemeinsamen Gebet versammelten, rief er zum Aufbruch.
Freudig packten wir das Lager zusammen, luden Vorräte und Ausrüstung auf Ochsenwagen und Handkarren, dann zogen wir los.
Nicolaus führte uns, den Schäferstab hoch erhoben, sodass wir ihn stets sehen konnten. Viele von uns hatten sich mit Asche das gleiche Symbol auf Stirn oder Hemd gemalt, mit dem der Herr ihn gezeichnet hatte. Einige Mädchen hatten sogar Banner mit dem abgebrochenen Kreuz genäht, die über den Karren im Wind flatterten.
Diego überließ Nicolaus die Führung. »Immer flussaufwärts am Rhein entlang«, hatte er gesagt und sich zurückgezogen. Er ritt meist allein, nur ab und zu schloss er sich kleineren Gruppen an. Mit mir sprach er kaum ein Wort, warum auch, schließlich war er bei aller Freundlichkeit von höherem Stand als ich, auch wenn ich nicht genau wusste, wie hoch. Vater Ignatius’ Worte
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