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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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erfüllen, dass Nicolaus seinen Namen kannte.
    Nach ihm gab ein kleines Mädchen ein Holzpferd ab, ein etwas größeres legte eine Brosche in den Wagen. Nicolaus berührte beide Mädchen mit seinem Schäferstab an den Schultern, als wolle er sie zu Rittern schlagen.
    Immer mehr Menschen drängten sich vor, doch sie warfen ihren Besitz nicht achtlos in den Karren, sondern warteten, bis Nicolaus sie ansah, sich bei ihnen bedankte, ihnen Aufmerksamkeit schenkte. Ich bemerkte die Freude in ihren Gesichtern und wusste, dass ich nicht anders wirkte.
    Schon bald verschwand meine Münze unter den Habseligkeiten der anderen. Es war hauptsächlich Schmuck, der den Karren füllte, aber auch Kleidung, Waffen und Spielzeug. Jemand legte sogar ein kleines Gemälde hinein, auf dem die Mutter Gottes abgebildet war. Nicolaus ließ auch das geschehen.
    Erst als niemand mehr etwas abgeben wollte, sprang er vom Stein und nickte uns zu. »Kommt.«
    Lukas ergriff die Deichsel des Handkarrens und folgte Nicolaus zum Ufer. Die Räder hinterließen tiefe Spuren im Sand. Ich sah zurück zur Stadt. Einige Bauern hatten sich vor den Toren versammelt. Sie beobachteten uns, rätselten anscheinend darüber, was am Ufer vor sich ging.
    »Sie tun mir leid«, sagte Hugo. Er sah ebenfalls zu ihnen hinüber. »Sie wissen nicht, wer sie sind, deshalb klammern sie sich an das, was sie haben.«
    Ich legte ihm den Arm um die Schultern und nickte. »Sie tun mir auch leid.«
    Wir wandten uns von den Bauern ab und folgten den anderen zum Fluss. Lukas watete gerade ins Wasser, den Karren hinter sich herziehend.
    »Gott wird entscheiden, was mit dem Menschenwerk geschehen soll«, rief Nicolaus und drehte Lukas den Rücken zu. Der stand bereits bis zu den Hüften im Wasser. Der Karren wurde von der Strömung zur Seite gezogen, doch er hielt ihn weiterhin fest.
    »Betet mit mir, Brüder und Schwestern.« Nicolaus fiel auf die Knie, wir folgten seinem Beispiel. »Herr, erhöre unser Flehen. Sei zu uns wie der Schäfer zu seiner Herde. Führe uns zu Gras und Wasser, labe unsere Seelen. Von ganzem Herzen bitten wir um deine Güte auf diesem langen Weg. Sieh das Opfer, das wir dir bringen, und tue damit, wie dir behagt. Amen.«
    »Amen«, wiederholte die Menge. Wir bekreuzigten uns, dann wandte Nicolaus den Kopf. »Befreie uns von den Götzen dieser Welt, Lukas.«
    »Mit Freuden.« Lukas ließ die Deichsel los, der Karren trieb einen Moment lang am Ufer entlang, und ich dachte schon, Gott verschmähe unser Opfer, doch dann wurde er von der Strömung zur Mitte des Flusses gezogen, zuerst langsam, dann immer schneller, bis er schließlich umkippte und so plötzlich im Wasser verschwand, als habe eine Hand ihn auf den Grund des Rheins gezogen.
    Viele bekreuzigten sich oder sprachen ein kurzes Gebet. Gott hatte unser Opfer angenommen. Er würde bei uns bleiben, trotz aller Sünden, derer wir uns schuldig gemacht hatten.
    »Jetzt bin ich sicher, dass wir das Heilige Land befreien werden.« Gottfrieds Augen glänzten feucht. »Mit Gott auf unserer Seite können wir nur siegreich sein.«
    »Hast du etwas abgegeben?«, fragte Konrad, bevor ich ihn davon abhalten konnte.
    Der alte Mann lächelte. »Ich habe noch nie mehr besessen, als ich am Körper tragen konnte, aber ich wollte, dass Nicolaus mich segnet, also gab ich ihm meine Schuhe.«
    Ich sah seine nackten, knorrigen Füße. Sie ragten wie Wurzeln aus dem Sand. »Das war nicht nötig. Es ging doch nur um Wertvolles.«
    »Was soll’s.« Gottfried hob die Schultern. »Wenn ich neue brauche, wird Gott sie mir geben.«
    Seine schlichte Zuversicht beeindruckte mich. Ich wollte ihn dazu beglückwünschen, doch sein Blick ruhte nicht mehr auf mir, sondern auf einem Punkt hinter meiner Schulter.
    Ich drehte mich um. Lukas hatte den Fluss verlassen und kam auf uns zu. Seine Kleidung triefte, und er hinterließ eine feuchte Spur im Sand.
    »Madlen«, sagte er, als er vor mir stehen blieb. »Nicolaus wünscht, dass du ab jetzt bei uns am Feuer sitzt. Eine Frau von deinem tiefen Glauben ist ihm sehr willkommen.«
    Er sprach sehr steif, so als wollten ihm die Worte nicht wirklich über die Lippen kommen. Vielleicht zweifelte er an ihrer Richtigkeit. Ich zumindest tat es.
    »Ich glaube nicht, dass das angebracht ist«, begann ich. »Sicherlich gibt es andere, die würdiger …«
    Lukas ließ mich nicht ausreden. »Nicolaus wünscht es«, sagte er.
    »Das ist eine große Ehre.« Gottfried wirkte beinahe ergriffen. Erst seit drei

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