Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
gefesselt und einen Ast hindurchgeschoben, sodass er sich nicht setzen, noch nicht einmal den Rücken krümmen konnte.
Als ich mich auf die Zehenspitzen stellte und über die Köpfe vor mir blickte, entdeckte ich Nicolaus und Lukas. Nicolaus saß auf einem Fass und drehte den Schäferstab zwischen seinen Händen, Lukas ging auf und ab. Hinter dem Karren standen die Soldaten, reglos und stumm wie behauene Säulen in einer Kirche.
Diego saß ein wenig abseits von ihnen auf einem Baumstumpf und knackte Nüsse mit dem Griff seines Messers. Was sich vor ihm abspielte, schien ihn nicht zu interessieren.
Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen, um mich zu bedanken, aber ich traute mich nicht, den Kreis zu betreten, und von der anderen Seite wäre ich nicht an ihn herangekommen, denn fast der gesamte Kreuzzug hatte sich um den Karren versammelt.
»Du behauptest, du hättest das Geld nicht für dich genommen«, sagte Lukas in diesem Moment laut.
»Das stimmt.« Peters Stimme klang rau, ich hörte die Angst, die darin lag. »Ich wollte es meinem Jungen bringen, damit sich ein richtiger Arzt seinen Fuß ansehen kann. Ich wusste doch nicht, wie viel ich brauche, deshalb habe ich den ganzen Beutel genommen.« Seine Schultern hoben und senkten sich, als wollte er seine gefesselten Arme bewegen. »Ich hätte den Rest zurück gebracht, Gott ist mein Zeuge.«
Nicolaus hob den Kopf. Lukas trat zu ihm, hörte einen Moment zu und nickte. »Es war Gottes Wille, dass sich dein Sohn den Fuß gebrochen hat, und Gottes Wille, dass ein Gerber ihn aufnahm. Wir haben diesem Samariter sogar Geld gegeben, damit er sieht, dass Gott die Mildtätigen belohnt.«
»Einen Viertelpfennig!«, stieß Peter hervor und bewegte sich in seinen Fesseln wie eine Schlange. »Wir haben Manfred, meinen ältesten Sohn, mit einem Viertelpfennig in die Hände eines Gerbers gegeben! Man kann ihnen nicht trauen, das weiß doch jeder.«
»He«, rief eine dunkle Stimme, vermutlich die eines Gerbers. Einige lachten.
Lukas hob die Hand, und das Lachen erstarb. »Kann man Gott nicht trauen?«, fragte er.
Peter senkte den Kopf. Einen Moment schwieg er, dann sagte er leiser als zuvor: »Doch … doch, das kann man.«
»Warum hast du es dann nicht getan?«
»Weil …« Peter zögerte. »Es ging um meinen Sohn. Ich hatte Angst um ihn. Immer wieder sah ich ihn in der Hütte liegen, umgeben von all dem Unrat und dem Gestank. Ich …« Er brach ab, schüttelte den Kopf und taumelte. Mühsam fing er sich wieder. »Ich wusste, dass es falsch war, das Geld zu nehmen, aber ich konnte nicht anders.«
Lukas sah ihn scharf an. »Du hast gestohlen, obwohl du es nicht wolltest?«
»So ist es wohl. Ich hätte auf Gott vertrauen sollen, und ich weiß selber nicht, was mich dazu trieb, das Geld zu nehmen.«
»Der Teufel.«
Nicolaus sprach leise, es war beinahe ein Flüstern, trotzdem verstand ich seine Worte genau. Ein Raunen ging durch die Menge, einige wichen zurück. Diego hörte auf, Nüsse zu knacken, Konrad ergriff meine Hand. Sogar Hugo rückte näher an mich heran.
»Nein.« Peter schüttelte den Kopf. »Es war nicht der Teufel, nur Dummheit, die mich …«
»Sei ruhig!«, unterbrach ihn Lukas.
»Habt ihr wirklich geglaubt, er würde uns in Ruhe lassen?« Nicolaus stand auf und lehnte den Schäferstab an das Fass, auf dem er gesessen hatte. »Unser Glauben ist ihm ein Gräuel, unser Kreuzzug widert ihn an. Er fährt in die Krähen am Himmel und die Würmer im Boden und beobachtet uns, seit der Erste sein Gelübde abgelegt hat.« Nicolaus trat an den Rand des Kreises, schritt ihn langsam ab. Das Licht der Fackeln erschuf tiefe Ringe unter seinen Augen. »Vielleicht dachte er, wir wären nicht stark genug. Vielleicht dachte er, seine Diener im Heiligen Land hätten nichts zu befürchten. Vielleicht lachte er über uns.«
»Sei verflucht, Teufel!«, rief eine Frau.
»Amen«, antwortete eine andere.
»Aber er lacht nicht mehr«, sagte Nicolaus. Langsam ging er an mir vorbei. »Er hat die Stärke unseres Glaubens erkannt und bekommt Angst!« Er schrie das letzte Wort, und Jubel kam auf. »Mit List und Tücke versucht er uns aufzuhalten. Und darum … darum fuhr er in diesen Mann und brachte ihn vom rechten Weg ab!« Und mit diesen Worten zeigte er auf Peter.
Der schüttelte so heftig den Kopf, dass er beinahe gestürzt wäre. »Nein!«, rief er. »Nein, nein, nein. Ich war es, nicht der Teufel, ich ganz allein!«
Ein Soldat trat einen Schritt vor und hämmerte ihm
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