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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ich?«, fragte er.
    Sein Grinsen machte mich wütend. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Du erzählst all diese Geschichten über das Heilige Land, aber du sprichst nie von Elefanten. Dabei weiß jeder, dass sie von den Menschen dort als Reittiere benutzt werden.« Und dann setzte ich hinzu: »Ein paar von uns glauben, dass du nie dort warst.«
    Es überraschte mich, wie anklagend und verärgert ich klang. In meinen Gedanken hatten die Worte, die ich mir zurechtgelegt hatte, anders gewirkt.
    Diego grinste nicht mehr. »Ein paar von uns«, wiederholte er. »Ich dachte, ich gehöre zu uns .«
    Ich öffnete den Mund, wollte ihm erklären, wie ich es gemeint hatte, doch dann wurde mir klar, dass es nichts zu erklären gab. Ich hatte es genau so gemeint, wie ich es gesagt hatte. Ich schloss den Mund.
    Diego schüttelte den Kopf und trieb sein Pferd an. Schlamm spritzte über meine Röcke.
    »Was ist denn los, Mutter?«, fragte Hugo.
    Ich schwieg.
    In dieser Nacht riss mich ein Schrei aus dem Schlaf.
    Im ersten Moment, als ich mich erschrocken aufsetzte, dachte ich, es wäre mein eigener gewesen, doch dann hörte ich ihn erneut.
    »Da ist er! Haltet ihn fest!« Die Frauenstimme klang schrill, überschlug sich beinahe.
    Lukas sprang auf der anderen Seite des Feuers auf. Überall regten sich Menschen, sahen sich verwirrt und suchend um. Rufe wurden laut. Soldaten liefen ohne Rüstung, aber mit gezogenen Schwertern an mir vorbei.
    »Was ist hier los?«
    »Ein Dieb!« Wieder die Frauenstimme. Sie klang näher als zuvor. »Er läuft auf die Felder!«
    Wir hatten unser Dorf entlang der Straße und auf einer großen Wiese aufgeschlagen. Dahinter lagen die Felder des Dorfes, das wir am Abend aufgesucht hatten. Der Landjunker, der ihm vorstand, hatte uns erlaubt, die Nacht in der Nähe zu verbringen. Es war ein armes Dorf ohne Mühle oder Kirche. Wahrscheinlich hatte einer der Bauern der Versuchung unserer vollen Karren nicht widerstanden.
    Ich schloss mich den anderen Menschen an, die zu den Feldern strömten. Einige hielten Knüppel in den Händen. Diego lief an mir vorbei und schloss zu den Soldaten auf, die an der Spitze gingen. In der klaren Vollmondnacht leuchtete Lukas’ Haar zwischen ihnen wie Silber.
    »Schwärmt aus!«, schrie er. »Kreist ihn ein.«
    »Wen denn?«, rief jemand zurück. »Wer ist es?«
    Er erhielt keine Antwort. Wir versuchten uns auf der Wiese zu verteilen und eine Reihe wie bei einer Treibjagd zu bilden, stolperten aber eher sinnlos durch die Nacht. Wären wir nicht so viele gewesen, hätte der Dieb sicherlich mit Leichtigkeit durch die Lücken in unseren Reihen schlüpfen können. So blieb ihm nichts anderes übrig, als vor uns her über das Feld zu laufen.
    »Ich sehe ihn!«, schrie Lena. Sie ging rechts von mir, ein resolutes, kräftiges Mädchen, das sich uns in einem Ort namens Godesberg angeschlossen hatte. Eine Hand hatte sie ausgestreckt, in der anderen hielt sie einen Ast. Sie musste ihn aus dem Feuer gezogen haben, denn seine Spitze glühte noch rot.
    Ich kniff die Augen zusammen. Das Feld lag wie ein schwarzes Tuch vor uns. Die Erde unter meinen Füßen war frisch um gepflügt und weich. Beinahe wäre mein Blick an dem Dieb vorbeigeglitten, denn er stand reglos auf dem Feld, allerdings weniger als einen Steinwurf entfernt. Doch erst als er sich bewegte, bemerkte ich ihn.
    »Bleib stehen!«, rief ich, ebenso wie hundert andere. Er wandte sich von uns ab und rannte los. Der umgepflügte Boden war tückisch, immer wieder stolperte er, verschwand kurz aus meinem Blickfeld und tauchte wieder auf, wenn er sich aufrappelte und weiterlief. Wir folgten ihm. Kinder liefen voran, begannen ihn von beiden Seiten einzukreisen. Ich sah mich nach Konrad und Hugo um, entdeckte sie aber nirgends. Ich hoffte, dass sie auf sich aufpassten.
    Beim nächsten Atemzug stieß ich mit den Zehen gegen etwas. Es klimperte, ich taumelte. Lena griff nach mir, aber ihre Hand verfehlte meinen Arm, und dann stürzte ich auch schon in den Dreck. Es tat nicht weh.
    Ich stützte mich ab und wollte aufstehen, doch etwas prallte in meinen Rücken, warf mich wieder zu Boden, und ein Mann schlug fluchend neben mir auf. Ein nackter Fuß trat auf meine Hand, grub sie tief in den Dreck, ein anderer setzte neben meinem Kopf auf.
    Ich schrie, nicht vor Schmerzen, sondern aus Angst. Ich sah nichts als schwarze Schatten über und neben mir, hörte nur Keuchen und überraschtes Stöhnen. Füße, Beine und Knie prallten gegen mich.

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