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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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war. Die Armen verließen oft zu Dutzenden ihre Behausungen oder liefen einfach von den Feldern davon, die Reichen blieben zurück. Immer öfter kamen uns bereits Gruppen von Tagelöhnern, Knechten und Mägden entgegen, denen reisende Kaufleute und Schiffer von unserem Kreuzzug erzählt hatten.
    Doch je größer unser Kreuzzug wurde, desto langsamer kamen wir voran. Das schien vor allem Diego zu beunruhigen, der mehrfach darum bat, die Krüppel und Greise abzuweisen. Nicolaus hörte nicht auf ihn. Gerade sie, so sagte er, hatten es verdient, die Tore Jerusalems mit eigenen Augen zu sehen. Trotzdem verließen uns einige. Gerade in den ersten Wochen, als die Landschaft noch unwegsam und die Wege steil waren, starben Alte, Gebrechliche und auch einige Kleinkinder. Einige wurden krank und mussten in Dörfern zurückgelassen werden, auch Peters ältester Sohn gehörte dazu; er hatte sich den Fuß in einem Kaninchenbau gebrochen. Ein Gerber nahm ihm für einen Viertelpfennig auf und versprach, sich um ihn zu kümmern.
    Andere verschwanden einfach in der Nacht. Um sie trauerten wir am meisten, denn sie hatten ihr Gelübde gebrochen und würden im Jenseits all die Qualen der Hölle erleiden.
    Die Reise wurde angenehmer, als wir bei Mainz die Berge hinter uns ließen. Vor uns lag ein breites fruchtbares Tal, in dem wir ohne große Anstrengung vorankamen. Der Bischof von Mainz empfing uns persönlich, segnete uns und versprach, jedem die Beichte abzunehmen, der sich nach Vergebung sehnte. Mittlerweile war der Kreuzzug so groß geworden, dass wir nicht alle die Stadt betreten konnten. Wir hätten sie überschwemmt, sagte die Stadtwache.
    In dieser Nacht hatte Nicolaus eine Vision. Der Engel erschien und nahm ihn bei der Hand. »Siehe«, sagte er, wie Nicolaus am Morgen darauf weitergab, »du bist der Schäfer deiner Herde und sollst sie führen mit all den Rechten und Pflichten, die Gott einem Schäfer gewährt und auferlegt. Dies ist meine Botschaft an dich.«
    Wir sprachen über die Bedeutung dieser Worte und einigten uns schließlich darauf, dass Gott Nicolaus zum Priester ernannt hatte. Ein paar warfen ein, nur ein Bischof könne einen Priester weihen, aber Ott sprach wie so oft die Wahrheit aus: »So ’n Engel steht doch über ’nem Bischof, oder? Also wenn der ’nen Priester weihen kann, dann der Engel erst recht.«
    Seine Worte wurden weitergegeben, denn bei so vielen Menschen war es unmöglich, zu allen gleichzeitig zu sprechen. Niemand hatte offenbar etwas dagegen einzuwenden, und so war es Nicolaus, nicht der Bischof, der den Kreuzrittern unter freiem Himmel im Schatten des Mainzer Doms die Beichte abnahm. Das alles fand öffentlich statt, im Beisein aller. »Was einer hört, müssen alle hören«, sagte Nicolaus, als der Erste vor ihm niederkniete. »Die Wahrheit gehört uns allen. Es gibt keine Geheimnisse.«
    Der Mann, ein Tagelöhner, der bereits seit dem ersten Tag bei uns war, widersprach dem nicht, sondern gestand seine unzüchtigen Gedanken, seinen Neid und dass er unflätige Ausdrücke benutzt hatte. Ich hatte mich in die Menge zurückgezogen, bis Nicolaus mich nicht mehr sah. Ich hatte Angst vor der Beichte.
    Wir erhielten in Mainz viele neue Anhänger, aber auch Vorräte. Wie immer sammelte Lukas den Besitz unserer neuen Mitstreiter ein, das Geld wurde in Beuteln verstaut, die Gegenstände verkauft. Ich hätte es schöner gefunden, wir hätten sie im Rhein versenkt, so wie am Anfang der Reise, doch das konnten wir uns nicht mehr leisten. Zu viele mussten versorgt werden, und wie Diego sagte, hatten wir noch nicht einmal ein Viertel der Reise hinter uns. Ich hoffte, dass er tatsächlich wusste, wovon er sprach.
    Den ganzen nächsten Tag, während wir im Nieselregen einer schlammigen Straße folgten, dachte ich über Diego nach.
    Ich hatte begonnen, an seinen Worten zu zweifeln, alles zu hinterfragen, was er tat. Die Saat, die Gottfried zu Nicolaus ans Feuer getrieben hatte, war in meinem Kopf aufgegangen. Doch wenn die Wahrheit allen zustand, wie Nicolaus gesagt hatte, stand es dann nicht auch Diego zu, von meinen Zweifeln zu hören?
    Am späten Nachmittag bekam ich ihn schließlich zu Gesicht. Er ritt ein wenig hinter mir, unterhielt sich mit einigen jungen Männern. Ich winkte ihm zu, als er in meine Richtung sah.
    »Hast du Elefanten gesehen?«, fragte ich ihn, noch bevor er sein Pferd neben mir gezügelt hatte. Konrad und Hugo, die vor mir gingen, drehten sich um, Diego runzelte die Stirn.
    »Sollte

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