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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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»Amen«. Wir standen auf, aber er bat uns mit einer Geste zu warten. »Während der Herr und der Teufel um Peters Seele stritten, haben Knut und Sven für ihren Vater gebetet. Sie wollten, dass Gott ihn zu sich holt.« Er nickte den beiden Jungen zu. »Damit sind seine Sünden auf Erden abgegolten. Niemand wird euch wegen der Taten eures Vaters anklagen oder verhöhnen.«
    Er warf einen Blick in die Menge. Ich sah Cornelius zwischen einigen Erwachsenen stehen. Er weinte.
    »Niemand«, sagte Nicolaus mit fester Stimme.

Kapitel 10
    Es änderte sich vieles nach diesem Tag. Lukas ließ von da ab die Vorratskarren von den Soldaten bewachen. Wir konnten uns nicht mehr nehmen, was wir brauchten, mussten um jeden Sack Mehl, jedes Stück Dörrfleisch und jedes Fell bitten. Morgens bildeten sich lange Schlangen vor den Karren. An manchen Tagen konnten wir erst lange nach Sonnenaufgang aufbrechen. Den Karren, auf dem sich Geld und Wertsachen befanden, lenkte Lukas persönlich. Abends stellte er ihn neben unserem Feuer ab und schlief in seiner Nähe.
    Nicolaus verließ uns fast jede Nacht. Manchmal folgte ich ihm heimlich, in der Hoffnung, noch einmal der Sprache des Himmels lauschen zu dürfen, doch der Engel zeigte sich nicht. Ich spürte, dass Nicolaus sich Sorgen machte, auch wenn er immer wieder sagte, die Abwesenheit des Engels zeige nur, dass wir auf dem richtigen Weg seien.
    Die Landschaft, durch die wir zogen, war bewaldet und flach. Der Rhein teilte sich in unzählige kleinere Arme und Nebenflüsse, die uns den Weg erschwerten und oft dazu führten, dass wir stundenlang nach einer geeigneten Furt suchen mussten, um mit den Karren überzusetzen. In den ersten Tagen nach Peters Erlösung – Nicolaus bestand darauf, dass wir seinen Tod so nannten – schien eine Dunkelheit über dem Kreuzzug zu liegen, die selbst die warmen Sonnenstrahlen nicht vertreiben konnten. Kleine Kinder schrien bei jedem Ast, der in den Wellen des Rheins auftauchte, »Peter!«, die älteren zogen sie damit auf. Cornelius fragte Nicolaus so oft, ob Peter denn wirklich in den Himmel gekommen sei, dass Lukas ihm schließlich verbot, darüber zu sprechen.
    Die Dunkelheit wich erst von uns, als wir Speyer erreichten. Der Bischof der Stadt weigerte sich zwar, uns zu begrüßen, doch die Stadtherren empfingen uns mit großer Herzlichkeit. Wir durften auf den Wiesen außerhalb der Stadtmauern lagern, Brauer spendeten Bier, reiche Kaufleute ließen Schweine für uns schlachten, und man betete und feierte mit uns.
    »Der Ratsherr von Speyer hat mich zu einem Bankett eingeladen«, eröffnete uns Nicolaus, als er am Morgen nach unserer Ankunft aus der Stadt ans Feuer zurückkehrte. »Ich möchte, dass Lukas und du mitkommen.«
    Ich legte Konrads Wollumhang, den ich hatte flicken wollen, beiseite. »Ich? Was soll ich auf einem Bankett?«
    »Was soll ich dort?« Er hob die Schultern, wirkte auf einmal verunsichert. »Zwischen all den feinen Leuten, was soll ich mit denen reden?«
    Ich hätte beinahe gelacht. Er wirkte auf einmal wieder wie ein ganz normaler Junge. »Du redest mit einem Engel, aber hast Angst vor einem Ratsherrn?«
    Meine Worte taten mir leid, noch bevor ich sie ganz ausgesprochen hatte. Nicolaus stand verärgert und beschämt auf. »Dann gehen Lukas und ich eben allein.«
    »Warte.«
    Er drehte sich um.
    Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und lächelte entschuldigend. »Natürlich komme ich mit, wenn du das möchtest.«
    Nicolaus nickte.
    »Aber es wäre gut, wenn du Diego ebenfalls fragen würdest.«
    »Den Spanier?« Er hob die Augenbrauen. »Wieso?«
    »Weil er bestimmt weiß, wie man sich bei feinen Leuten benimmt. Wir wollen doch nicht wie Bauerntölpel wirken.«
    »Nein.« Nicolaus dachte einen Moment nach, dann sagte er: »Gut, aber du wirst ihn fragen.«
    Er verließ das Feuer, bevor ich mich weigern konnte. Es war unschicklich für eine Frau, einen fremden Mann um seine Begleitung zu bitten. Durch den Kreuzzug waren wir zwar gezwungen, die Regeln des Anstands zu lockern, aber wir bemühten uns, sie dennoch so weit einzuhalten, wie es möglich war.
    Ich nahm das Brett mit Brot und kaltem, vom Vorabend übrig gebliebenem Schweinebauch, das ich hatte essen wollen, stand auf und sah mich suchend um. Diego saß auf einem Hocker in der Sonne und putzte seinen Sattel.
    Wie so oft war er allein. Die Kinder, die anfangs seine Nähe gesucht hatten, kamen kaum noch zu ihm. Das Misstrauen der Erwachsenen war auf sie übergesprungen wie

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