Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
legte ihm die Hand auf die Schulter und zog ihn wieder in den Sand. Er sagte etwas, das ich nicht hören konnte, doch ich sah, wie sich die beiden Jungen versteiften, die Köpfe senkten und noch lauter und inbrünstiger beteten als zuvor.
Um sie herum verteilten sich die Menschen am Ufer. Kinder liefen spielend umher, wirkten aber aufgekratzt. Sie spürten die Anspannung der Erwachsenen, auch wenn die Kleinsten sie nicht verstanden.
Ich entdeckte Diego im Schatten eines Baumes. Mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete er das Geschehen. In seiner dunklen, staubigen Kleidung war er fast nicht zu sehen. Kein anderer stand in seiner Nähe.
Peters Rufe verwandelten sich in Schreie, als die Soldaten die Stricke festzogen und ihn mit ihren Schwertern ans Ufer trieben. Seine Hände waren um das Holz geschlungen, seine Wange wurde von der engen Fesselung dagegengepresst. Es sah aus, als umarme er das Brett.
Vor Nicolaus ließ Peter sich fallen. Er landete auf der Seite, begann zu wimmern, zu betteln und zu stammeln. Sein jüngerer Sohn schlug die Hände vors Gesicht, der ältere schrie seine Gebete: »Herr, erbarme dich seiner! Herr, erbarme dich seiner! Herr, erbarme dich seiner!«
Lukas stapfte barfuß an ihm vorbei durch den Sand. »Hebt ihn schon auf!«, befahl er den Soldaten.
Vier von ihnen waren nötig, um den zappelnden, sich windenden Mann zum Wasser zu tragen. Sand klebte in Peters Haaren. Er riss mit solcher Kraft an seinen Fesseln, dass ihm Blut von den Händen über die Arme lief.
Konrad ergriff meine Hand. Seine war schweißnass und kalt. »Was machen sie mit ihm?«, flüsterte er.
Ich antwortete ebenso leise. »Sie werfen ihn ins Wasser. Wenn er oben treibt, heißt das, dass der Teufel noch in ihm steckt, aber wenn er sinkt, dann hat Gott ihn zu sich genommen.«
»Dann ist es gut, wenn er stirbt, und schlecht, wenn er lebt?«
Ich nickte. Konrad schwieg.
Hugo stand auf meiner anderen Seite. Es dauerte einen Moment, doch dann spürte ich auch seine Hand in der meinen. Ich drückte sie.
Lukas watete in den Fluss. Die Soldaten folgten ihm, standen schließlich bis zum Bauch im Wasser. Sie trugen Peter zwischen sich. Er schrie um Hilfe. Die Menschen am Fluss, die dort in Dreier- und Viererreihen standen, sahen ihn an, die meisten die Hände gefaltet, aber nur wenige bewegten die Lippen. Peters Schreie und Knuts »Herr, erbarme dich seiner! Herr, erbarme dich seiner!« lähmte die Gedanken. Niemand rührte sich, außer Lukas und den Soldaten.
Nicolaus musste ihnen ein Zeichen gegeben haben, denn plötzlich holten die Soldaten aus wie mit einem Rammbock und warfen Peter in den Fluss. Lukas stieß ihn weiter zur Mitte, hi nein in die Strömung.
Peters Schreie brachen so plötzlich ab, dass ich schon glaubte, er sei vor Schreck gestorben. Doch dann sah ich, wie er den Kopf hob. Einer der Stricke musste gerissen sein. Das Brett, auf dem er lag, wurde vom Ufer abgetrieben, ging jedoch nicht unter. Peter schnappte nach Luft, begann kreischend zu lachen. Sein Gesicht verzerrte sich, sah auf einmal aus wie die Steinstatuen am Kölner Dom. Teuflisch. Besessen.
Menschen schrien auf, bekreuzigten sich oder fielen auf die Knie, baten Gott um Beistand gegen den Satan. Die Strömung erfasste das Brett, riss es mit, und Wellen schwappten darüber hinweg. Peter hustete und keuchte, hörte aber nicht auf zu lachen.
Und dann kippte das Brett.
Schneller als ein Lidschlag drehte es sich, und mit einem Mal war Peter verschwunden. Sein Lachen verstummte, als habe es nie existiert. Ich sah das Brett noch ein paar Mal zwischen den Wellen auftauchen, dann war es auch verschwunden.
Stille legte sich über das Ufer. Die Menschen, die gekniet hatten, standen auf, ungläubig, aber erleichtert. Niemand sagte etwas. Konrad hatte seine Finger so fest in meinen Unterarm gekrallt, dass es schmerzte.
»Ist er tot?«, flüsterte Hugo.
»Halleluja!« Nicolaus stand auf, bevor ich antworten konnte, und ging an den Reihen der Kreuzfahrer entlang. Knut und Sven folgten ihm mit gesenktem Kopf und schlurfenden Schritten.
»Seht den Sieg des Herrn!«, rief Nicolaus. »Staunt über seine Macht. Vor euren Augen hat er den Teufel aus Peter getrieben und den Sünder zu sich genommen.«
»Halleluja!«, rief Hugo mit vielen anderen.
»Kniet nieder und dankt ihm!«
Wir alle knieten uns hin, auch Knut und Sven. Ich sah zu Diego, der immer noch unter dem Baum stand. Er rührte sich nicht.
Stumm beteten wir. Irgendwann sagte Nicolaus
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