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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Erde, so als hätte es im Regen gelegen. Vielleicht hatte es die Besitzerin deshalb gespendet. Es war mir egal. Der Stoff glitt weich wie Wasser über meine Haut. Nichts kratzte, nichts juckte, es gab keine einzige raue Stelle. Noch nie hatte ich etwas so Schönes gespürt.
    Das Kleid war zu lang, aber ich raffte es mithilfe meines Gürtels zusammen. Dann stopfte ich Blätter in meine neuen Schuhe und zog sie an. Sie knirschten und raschelten bei jedem Schritt, kleine Zweige stachen in meine Fußsohlen, doch das störte mich nicht. Ich genoss jede Bewegung, während das Kleid meine Beine umspielte.
    Menschen liefen zusammen, als ich ins Lager zurückkehrte, und zeigten auf mich. Ein paar klatschten, andere wirkten schockiert. Konrad lachte, während Hugo mich nur voller Überraschung anstarrte.
    Ich entdeckte Diego zwischen den Menschen. Er verbeugte sich vor mir wie vor einer Dame, dann trat er an meine Seite.
    »Ihr werdet den Ratsherrn verzaubern.«
    »Ihr?«
    »So redet man mit einer Dame.«
    Ich senkte den Kopf, um mein Lächeln zu verbergen.
    Gemeinsam gingen wir zum Feuer, an dem Lukas und Nicolaus bereits warteten. Überrascht sah ich, dass sich Lukas ebenfalls umgezogen hatte. Er trug Beinlinge, ein sauberes Leinenhemd, eine zu kurze Weste und einen zu kleinen braunen Hut. Nur Nicolaus sah aus wie an jedem gewöhnlichen Tag, barfuß und zerlumpt.
    Beide sagten nichts zu meinem Kleid, aber während wir in die Stadt gingen, starrte mich Lukas immer wieder an.
    Ich dachte an die Mägde auf Burg Drachenfels und wünschte, sie könnten mich sehen.
    Das Haus von Adalbert, dem Ratsherrn von Speyer, lag direkt am Marktplatz, gegenüber dem Dom. Ich sah zu seinem Turm empor und dankte Gott für all das, was er mir von der Welt zeigte.
    Die Stadtwachen, die an den Stadttoren standen und durch die Gassen patrouillierten, beachteten uns nicht, so wie Nicolaus vorhergesagt hatte. Ich sah viele von ihnen, mehr als in Köln oder Mainz.
    Adalberts Haus war ein mächtiger, breiter Steinbau, fast schon eine kleine Burg. Es gab ein Tor, vor dem uns Dienstboten bereits erwarteten, und einen Vorhof, in dem Schalen voller Wasser auf Tischen standen. Ich hielt mich hinter Diego, tat, was er tat: Ich wusch mir die Hände in dem duftenden, von getrockneten Blüten bedeckten Wasser und trocknete sie an einem Leinentuch ab, das ein Dienstbote bereithielt. Der Mann warf mir einen merkwürdigen Blick zu, als ich mich bedankte. Ich biss mir auf die Lippen. Eine Magd bedankt sich, keine Dame.
    Ein anderer Dienstbote, besser gekleidet und wohlgenährter als der erste, fragte uns nach unseren Namen, dann wurden wir durch eine große Holztür in einen Gang geführt. Überall roch es nach Essen, so wie ich es von den Banketten auf Burg Drachenfels kannte.
    Der Dienstbote blieb am Ende des Gangs in einer geöffneten Tür stehen. Ich hörte das Prasseln eines Feuers und laute Stimmen. »Bitte heißt willkommen, ehrenwerte Herren und Damen, Nicolaus, Diego, Lukas und Madlen.«
    Die Gespräche verstummten. Der Dienstbote trat zur Seite und verneigte sich. Wir gingen an ihm vorbei in den Saal.
    Er war groß. Zwei lange Tischreihen standen an den Seitenwänden, eine dritte, kürzere schloss sie am Ende des Saals an. Im Kamin neben mir brannte ein Feuer. Ich spürte seine Hitze auf meinen Wangen. Kerzen brannten in großen silbernen Leuchtern auf den Tischen. Unter der Decke hingen mit Ketten befestigte Räder voller Kerzen. Wachs tropfte auf den Boden zwischen den Tischreihen.
    »Willkommen.« Ein dicker, bartloser Mann mit dichtem graublondem Haar erhob sich und kam auf uns zu. Er hatte am Kopfende gesessen, deshalb vermutete ich, dass es sich um Adalbert handelte. Die Plätze neben ihm waren leer.
    Diego trat ihm entgegen und verneigte sich, nicht übertrieben, sondern knapp. Er bedankte sich und stellte uns noch einmal vor.
    Ich ließ meinen Blick über die anderen Gäste schweifen. Es waren fast ein Dutzend, die meisten davon Männer. Adalbert stellte sie nacheinander vor. Einen Gewürzhändler mit seiner Frau, einen Jesuitenpriester, zwei Viehhändler, einer mit Frau, einen Benediktinermönch, zwei Krämer, einen Vogt und einen Stoffhändler.
    An ihm blieb mein Blick hängen. Er war wohlgenährt, so wie die meisten anderen am Tisch, trug aber eine seltsame Kappe auf dem Hinterkopf. Auf Burg Drachenfels hatte ich einmal einen Juden gesehen. Er hatte dort Vieh vom Grafen gekauft. Vater Ignatius hatte in der Predigt am Sonntag danach über ihn

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