Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
müssen.
Reset ist aber auch und vor allem ein Plädoyer für den freien Willen, das in der Frage gipfelt, ob ein einmal eingeschlagener Weg unerbittlich und unter allen Umständen weiter bis ans Ende gegangen werden muss oder ob kleinste Veränderungen in den Parametern bereits den sprichwörtlichen Flügelschlag des Schmetterlings und damit den Hurrikan verhindern können.
Ein weiteres Thema, das natürlich auf die vorher genannten zurückweist, ist das utopisch-technische, das die Story zur Science Fiction macht: Könnte man den Geist eines Menschen so exakt simulieren, dass er, Computermodellen des Wettergeschehens, Schwarmverhaltens oder des Urknalls vergleichbar, Vorhersagen erlaubt? Und wäre dann im Rahmen einer solchen Simulation mit den notwendigen systemimmanenten Freiheiten nicht auch eine Abweichung von dem vorausgesagten Verhalten möglich? Kann sich das Konstrukt vom Spender des Quellcodes emanzipieren, kann es das Mitspiel verweigern? Und, auch das: Hätte ein simuliertes Wesen mit freiem Willen Anspruch auf Menschenrechte?
Reset ist kein Hörspiel, das nur Schwarz und Weiß kennt: Auf der einen Seite ist Philip der brutale Mörder, auf der anderen ist er sensibel und hat ein Gespür für die Natur, liebt Bücher und empfindet Mitleid für eine vom Lehrer per Kreidewurf vertriebe Amsel. Auch überlassen die Brüder Dröge nichts dem Zufall: So ist die Tatwaffe nicht einfach plötzlich da, sondern ihre Herkunft und Aneignung wird im Verlauf des Plots nachvollziehbar geschildert. Auch die Simulation als solche ist durchdacht und wird hinterfragt. So reflektiert Philip einmal, ob das Experiment nicht zum Scheitern verurteilt sei, da doch Ereignisse und Eindrücke, die er vergessen habe und die insofern gar nicht Bestandteil der Simulation sein könnten, seine Entscheidungen beeinflusst haben müssten. Nicht zu vergessen die von anderen Autoren gern übersehene Kernfrage, ob ein Weiterleben nach dem physischen Tod als digitalisiertes Bewusstsein überhaupt möglich ist. Philip sagt: »Ich bin nicht ich, sondern nur eine Kopie von mir« und hat damit richtig erkannt, dass eine Simulation nie eine Fortsetzung des Lebens sein kann, vielmehr der Spender des Quellcodes unwiderruflich tot bleibt. Nur außenstehende Beobachter unterliegen der Illusion, die Simulation führe das Ich des Verstorbenen fort.
Mit Reset ist Christopher und Frederik Dröge, die nie zuvor ein Hörspiel gemacht haben, ein in vielfacher Hinsicht bemerkenswertes Debüt geglückt, das es verdient hätte, im Original oder auch in einer professionellen Neuproduktion gesendet zu werden, und nicht nur als vorgelesenes Manuskript.
Horst G. Tröster
PHILIP SPECHT nach PHILIP K. DICK
DIE DREI STIGMATA DES PALMER ELDRITCH
Regie: Robert Steudtner · Komposition: Martin Schütze, Oliver Groschek · Westdeutscher Rundfunk 2012
Gleich zu Beginn stellt sich uns ein ziemlich unerträglich eitler, konsumbewusster Typ namens Walt vor, und wir dürfen ihn auf dem Weg zu einer unerträglich selbstgefälligen und konsumbewussten Zicke namens Pat begleiten. Ihr Rendezvous wird allerdings irgendwie gestört, fremde Stimmen mischen sich ein und dann ist Walt plötzlich Barney Mayerson – zumindest spricht ihn der gleiche Schauspieler. Barney Mayerson ist, wie wir schnell erfahren, in gewisser Weise auch erfolgreich; er hat eine wichtige Position bei P. P. Layouts, einem marktbeherrschenden Konzern, aber auch die dazu gehörenden Probleme: Ehe kaputt, ständig unter Erfolgszwang, eine junge ehrgeizige Assistentin, die schon auf seinen Posten lauert.
Doch auch Leo Bulero, sein Chef, kann sich seiner Macht seit Kurzem nicht mehr erfreuen: Sein stärkster Konkurrent, der Interplan-Industrielle Palmer Eldritch, vor zehn Jahren bei einem Geschäftsflug zum benachbarten Sonnensystem verschollen, ist offenbar wieder aufgetaucht und hat die Absicht, ihn vom Markt zu verdrängen.
Mittlerweile hat der Hörer auch verstanden, dass Buleros Firma nicht nur hübsche Miniaturen einer schönen Konsumwelt herstellt, sondern dazu auch die Droge Can-D vertreibt, mit deren Hilfe man in diese bonbonfarbenen Pat&Walt-Szenarien schlüpfen und ewigen Luxusurlaub spielen kann. Abnehmer sind vor allem die Mars-Kolonisten – in einer tristen, unwirtlichen Umgebung brauchen sie die Fluchtwege in solche künstlichen irdischen Paradiese besonders dringend.
Palmer Eldritch soll nun wiederum eine neue, angeblich viel bessere Droge von seinem intergalaktischen Ausflug
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