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Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Titel: Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Hör-Spiele neu zu schreiben. Dass dies durchaus möglich ist, dafür hat der WDR ja selbst kürzlich mit Bodo Trabers Science-Fiction-Vision Die blauen Schafe ein überzeugendes Beispiel geliefert.
    Marina Dietz

MARTIN HEINDEL
    … WIE EIN LIED
    Regie: Martin Heindel  ·  Komposition: Ralf Haarmann  ·  Westdeutscher Rundfunk 2012
    Diesem Hörspiel, das um 23 Uhr auf EinsLive, dem Jugendradio des WDR, gesendet wurde, war eine Ansage der Redaktion vorangestellt, welche die Geschichte – bis auf den Schluss – in ein paar Sätzen schön handlich zusammenfasste: »Kira is siebzehn, nimmt, seitdem sie denken kann, Tabletten, die sie ruhig stellen, aber jetzt, wo sie sich in den drei Jahr’n älteren Evrim verliebt hat, will sie diese Dumpfheit und die Leere, die die Dinger bei ihr anrichten, nich mehr fühl’n, also versucht sie ihre Mutter dazu zu bringen, sie nicht mehr zu zwingen, diese Tabletten zu nehmen. Sie selbst weiß nich mal, wofür die Tabletten genau sind, nur, dasses ihr dann ziemlich schlecht geht, wenn se se ’ne Weile absetzt. Nimmt sie die Dinger nicht, dann bekommt sie so Anfälle, also erbricht sich, hat heftige Schmerzen, und als sie den Entzug dann weiter versucht, tauchen plötzlich ’n paar fremde Typen bei Kiras Mutter auf und drohen ihr, sie soll Kira wieder dazu bringen, diese Pillen zu nehmen. Und spätestens da wird klar: Es muss sich da um was ganz anderes handeln als die üblichen Tabletten gegen Depression oder Ähnliches.«
    Ich habe den Text hier wörtlich wiedergegeben, dazu den Tonfall so genau, wie die Rechtschreibung es erlaubt. Es ist nicht unbedingt der Ton, in dem sich Gesamtschüler unterhalten – da fehlt etliche Male »Alter, ey« –, eher schon der eines mäßig interessierten, aber kooperationswilligen jungen Mannes, den sein Lehrer um eine Inhaltsangabe gebeten hat. Und das ist wichtig, denn Jugendliche sind nicht nur die Helden des Hörspiels, sondern offensichtlich auch sein Zielpublikum, ja überhaupt sein einziges Bezugssystem.
    An Inhalt bleiben bis zu der Stelle, wo »’n paar fremde Typen« Kiras Mutter bedrohen, allerlei Szenen und Merkwürdigkeiten nachzutragen, aber kaum Handlung. Evrim hat für Kira und sich eine Wohnung angemietet, die beiden schlafen dort die erste Nacht (und natürlich miteinander, mit einschlägigem Stöhnen und Keuchen). Kira erzählt von ihrem Entschluss, die Tabletten abzusetzen, und von den dabei zu gewärtigenden hässlichen krankhaften Erscheinungen, Evrim beteuert seine Liebe zu ihr und verspricht Beistand. Dann taucht der Vermieter auf, der – seltene Kombination – zugleich als Hausmeister firmiert, ein Klischee-Russe mit der weich gespülten Stimme eines drittklassigen Heiratsschwindlers oder eines erstklassigen Berufsbetroffenen (rangmäßig etwa das Gleiche), der penetrant darauf besteht, man möge ihn duzen und Arkadi nennen. Er heißt nämlich Arkadi Strugatzki und ist der Grund, aus dem dieses Hörspiel auf meinen Seziertisch verbracht wurde. Beiläufig erwähnt er, die beiden müssten noch die Baba Jaga (eine Hexe im russischen Märchen) besiegen, aber wir alle werden ins Grab sinken, ohne jemals erfahren zu haben, was er bzw. der Autor damit meint.
    Nachts folgt eine merkwürdige Szene: Die Topologie des Zimmers ist verändert, Evrim erscheint als fremder Freier, Kira spielt eine Hure, sie vereinbaren perversen Sex mit anschließender Ermordung des Freiers, doch ehe es dazu kommt, wacht Kira auf – es war nur ein Traum. Das ganze Hörspiel lebt von solchen Passagen, in denen allerlei Geheimnisvoll-Esoterisches raunend angedeutet wird, und diese Stellen sind auch ganz gut umgesetzt. Leider ergeben sie kein logisch stimmiges Ganzes, sondern nur eine Stimmung, und allesamt zielen sie darauf ab, dass Kira etwas ganz Besonderes sei, ein Mensch mit ungewöhnlichen Eigenschaften, die von der Medikation unterdrückt werden.
    Das unheimlich-märchenhafte Genre hat ja seine durchaus tradierten Gesetze, und zumal in einem Hörspiel würde man erwarten, dass die Handlung davon vorangetrieben wird, wie die Helden dem Rätsel um Kiras Besonderheit nach und nach auf die Spur kommen; das tun sie jedoch nicht. Vielmehr wird die Handlung, die insgesamt nur anderthalb Tage umfasst, ein paarmal unterbrochen, und die allfälligen Erklärungen – teils auch nur rätselhafte Andeutungen – werden einfach von dritter Seite im Berichtsstil eingesprochen. In einer solchen Passage ist von einem Kind die Rede, das unbewusst einen

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