Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Zuchtrassen produziert werden, Monokulturen dazu beitragen usw. – all das streift Jens Rachut in seinem Hörspiel aber nur.
Noch sucht in Schwesternmilch die Menschheit nach den letzten Honigbienen – per (Propeller-)Flugzeug! Darin zwei Kriegsveteranen, kampferprobt, schwelgend in ihren Kriegserinnerungen! Wie viel lieber würden sie jetzt doch mit ihrer »MG-90-Einheit« losziehen … – und spätestens hier merkt man, dass es Jens Rachut um weit mehr geht als um das Bienensterben. Wie die Menschen mit der Natur umgehen, ist ein Thema, wie sie mit anderen Menschen umgehen ein anderes, und dann noch, wie sie mit sich selbst umgehen! Der autodidaktische Professor Blonka lässt sich von einer mutierten Killerbiene stechen, amputiert seine rechte Hand und befestigt sie an der Wand, als »Opfergabe an die Natur«. Er baut einen Altar darunter, und jeder soll hier ein Lied singen. Vielleicht, wenn das richtige Lied angestimmt wird, kommen ja die Honigbienen zurück …
Zahlreiche Menschen sterben, infiziert durch mutierte Killerbienen. Zuvor sprechen im Krankenhaus alle Personen in ihren »Wachträumen« und weisen »extremen« Haarwuchs auf. Hier kann man schon ahnen, dass die Natur sich auf eine ihr ganz eigene Weise wehrt. Die Krankenschwester ist zugleich die Lehrerin einer Behinderten-Schulklasse. Wenn die Behinderten im Unterricht spielen, dass sie ein Parlament sind, dann drängt sich die Frage auf, wer eigentlich behindert ist, sie oder doch eher die Politiker, die einfach die Vernichtung des Planeten zulassen oder sogar vorantreiben, wenn sie den kapitalistischen Marktmechanismen keine Grenzen setzen. »Dämmerung im Leerlauf«, das trifft nicht nur auf die Erde unter dem »unbekannten Schatten« zu, sondern auf alle, die ihrer eigenen Vernichtung und der des Planeten nichts entgegensetzen.
»Es sind nicht die Außerirdischen!«, betont immer wieder die Frau mit dem Megafon und ruft zur Selbstbeschränkung auf. Und eine junge Frau singt mit heller, klarer Stimme: »Nach dem Sonnenaufgang, vor dem Hügel, sieht man die Großstadt, sie wurde nie erbaut, rechts die Freiheit, links die Reste von dem Traum, vorn ein Käfig, für euch wurd’ er gebaut …« Das Lied, das in seinem Charakter an Minnesang erinnert, sparsam begleitet von Akkordeon-Akkorden, ist hier ein melancholischer Abgesang auf die Zivilisation. Man ist überrascht, welch zarte Töne Jens Rachut hier anschlägt, der ja als Punkrock-Musiker mit seinen Bands Angeschissen , Dackelblut , Das Moor , Blumen am Arsch der Hölle , Oma Hans und zuletzt mit Sonnenmilch bekannt wurde. Sehr gelungen auch, wenn sein poetischer Text über ein »kleines Tier … wie ein kleines Volk im Krieg … überall Tote« vorgetragen wird, begleitet von gebrochenen Klavierakkorden. Nur der Song über den Löwenzahn ist im harten Punkrock-Stil, originell, wenn immer wieder ein Behinderter hineinruft: »Es ist doch Spargel!«
Die spezifisch eingesetzte Musik von Jonas Landerschier, der schon in Rachuts Seuchenprinz -Trilogie (2006/07) die Musik komponiert hat, überzeugt in diesem Hörspiel ebenso wie die Darsteller, mehrheitlich Laien. Eine in sich stimmige, wunderbare Produktion, die viel Raum für eigene Fantasie lässt. Sicher ein Glück, dass Jens Rachut hier Autor (auch der Liedtexte), Schauspieler und Regisseur in Personalunion ist. Die Hörspielkonstruktion ist weit stringenter als die der Seuchenprinz -Trilogie, obwohl es auch hier keine Handlung im herkömmlichen Sinne gibt. Insgesamt ein sehr komplexes, vielschichtiges Hörspiel, das nicht zuletzt von den »abgedrehten« Szenen lebt und den vielen schön verrückten, albernen, kuriosen bis schrill skurrilen Einfällen, die beim näheren Hinschauen oft einen tieferen Sinn offenbaren.
Zum Schluss scheinen die Kriegsveteranen im Propellerflugzeug doch noch etwas Sinnvolles zu tun. Sie durchschießen den Schatten über der Erde. »11 bis 14 Uhr wird die Sonne scheinen, für drei Tage den Ring durchbrechen«, verkündet die Frau mit dem Megafon. Doch eine Tonaufzeichnung verrät, dass eine mutierte Biene die Sprache der Menschen erlernt hat, und sie verrät Dr. Blonka, dass der »unbekannte Schatten« keineswegs zufällig entstanden ist und »sie« jetzt für drei Tage die Sonne freigeben …
Christiane Timper
RENUS BERBIG
MISTPUFFER
Regie: Bernhard Jugel · Bayerischer Rundfunk 2011
Es ist das Jahr 2052. Eine Schulstunde in Sozialtechnik. Die Kinder Noramai und Axel, vierzehn Jahre alt, lernen im
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