Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Kontrollraum die Steuerung (Manipulation) anderer Kinder per Tastatur und Mausklick. Und wir lernen: Die Welt ist zweigeteilt, in die Welt der Reichen, die »oben« leben, und die Welt der Armen, die »unten« leben – und das ist in diesem Hörspiel kurioserweise ganz bildlich dargestellt. Über einen Müllschacht lässt sich der Höhenunterschied überwinden – was zugleich zeigt, wie und auf wessen Kosten die Reichen ihren Müll entsorgen. Doch solche kritischen Aspekte werden in dem Kinderhörspiel von Renus Berbig nur gestreift.
Einen seltsamen Bruch gibt es zwischen der Welt »oben« und der Welt »unten«, als wäre die Welt »unten« stehen geblieben in der Jetzt-Zeit, mit verfallenen Häusern, mit Schimmelpilz und mit Autos – wie Axel aus der Welt »oben« verächtlich bemerkt. Wie sich aber die Reichen »oben« fortbewegen, darüber erfährt man leider nichts. Andererseits wachsen in der Welt »unten« ganz neuartige Pflanzen wie »Zyklopenblumen«, gleich »Einaugenstengel, Familie der Aluminiumgewächse« – soll man hier erahnen, sie seien aus Aluminiumabfall entstanden? Axel, der Neunmalkluge, formuliert das Unten und Oben als »das dunkle Gestern« und »das helle Heute«. Warum bei dieser Zuordnung dann die Sprache der Reichen mit ihrem Hochdeutsch im Heute verharrt (abgesehen von ein paar neuen technischen Begriffen) und die Sprache der Armen viele neue Wörter aufweist, bleibt wie manch anderes unklar.
Offenbar ist in der Welt »unten« die High-Tech-Welt noch nicht angekommen. Lauter Kameras stehen herum – die Verbindung zur Welt da »oben«. »Big Brother is watching you«, besser: Rich Kids are watching you. Die drei jugendlichen Autoknacker – Tokio, Atari und Joanna – machen sich einen Spaß daraus, vor einer der Kameras zu tanzen, bevor sie die zerstören. Sie tanzen und singen zum Beatboxing, eine sehr schöne, belebende Szene und nicht die einzige. All diese Rap-Einlagen mit (human) Beatbox-Begleitung – eine raffinierte Technik, die mit stimmlichen und artikulatorischen Mitteln Schlagzeug und Percussion ersetzt (hier von Sebastian Fuchs ausgeführt) – bringen guten, auch notwendigen Pep in dieses Hörspiel, das Elemente der Science Fiction, des Computerspiels und des Märchens vermischt, mit auffallendem Öko-Bewusstsein.
Um die drei jugendlichen Autoknacker in ihrer Bewegungsfreiheit einzugrenzen, lässt Axel wie in einem Computerspiel eine Mauer entstehen, verlängert sie, Tokio wird dann schockgefrostet und anschließend wie eine Spielfigur in die Luft gehoben, soll dann noch etwas herangezoomt werden … doch da passiert Noramai das Missgeschick: Sie klickt auf die Maustaste und Tokio fällt zu Boden und verletzt sich. Während das niemanden im Kontrollraum weiter berührt, auch nicht die Lehrerin Miss Griff, besitzt Noramai die Empathie, die den anderen ihrer Klasse (in doppeltem Sinn) offenbar fehlt. Ja, so eine Fernsteuerung per Mausklick schafft genügend Abstand zum Objekt, um die Figuren auf dem Bildschirm eher als Spielfiguren denn als lebende Menschen zu empfinden …
Die drei jugendlichen Autoknacker flüchten in die Sumpfgebiete, die seltsamerweise elektronisch nicht mehr überwacht werden können, obwohl es ja heute schon kaum noch eine Region auf der Welt gibt, die nicht von irgendeiner Satellitenkamera oder einer Drohne erspäht werden kann! Und wie wird das dann wohl im Jahr 2052 sein?
Von Schuldgfühlen geplagt, rutscht Noramai den Müllschacht hinunter, jenseits aller Sicherheitsprozeduren, um dem verletzten Tokio zu helfen, und erlebt »unten« die sonderbare Welt der Armen, ebenso wie Axel, der ihr wenig später auf diese außergewöhnliche »Reise« folgt.
Nun kommen eher märchenhafte Züge ins Spiel, die schon erwähnten Sumpfgebiete statt eines tiefen dunklen Walds, natürlich umhüllt von Nebel (auch ein beliebtes Krimi-Element), entfernt hört man immer wieder »Mistpuffer« – Noramais »Eino« (»iKnow«?) weiß dazu: »Mistpuffer: Knallgeräusche in Küsten-Nebel, Herkunft ungeklärt«. Und ungeklärt bleibt auch die Funktion der »Mistpuffer« im Hörspiel, außer man betrachtet sie lediglich als dramaturgisches Mittel zur Spannungssteigerung, da sie der Verstärkung des Geheimnisvollen der Sumpfgebiete dienen.
Hier im Sumpf, wo der Müll verklappt wird, tauchen der Sumpfkasper und seine Frau auf, bekleidet mit dem Plastikmüll der Reichen, ausgestattet mit einer Trommel und einer Tröte. Spätestens bei dem vielen Klamauk, den die
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