Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Titel: Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
lässt Fragen offen und befriedigt nicht wirklich. Was den Autor offenbar wesentlich mehr interessiert, ist die konsequente Negation des eigentlich doch für jeden klar erkennbaren Außergewöhnlichen vor dem Hintergrund des eingeschliffenen Alltags in der Provinz. Mag sein, der eine oder andere hätte sich als eingeschworener Hardcore-Science-Fiction-Fan mehr »Sense of Wonder« darin erwartet. Dennoch kommt die präzise Schilderung, wie nicht alltägliche Beobachtungen aus dem Bewusstsein getilgt werden, der Realität ziemlich nahe. Und daraus bezieht dieses Hörspiel seine durchaus relevante Existenzberechtigung.
    Helmut Magnana
    »Die wenigen Stunden sollten uns doch bleiben«, sagte einst ein pfiffiger Puppenmacher 15 , »um Luftgebilde zu entwerfen und zerebrale Gymnastik zu treiben, und dabei fällt noch oft eine gute Idee heraus. Ist es nicht schön, dass es in unserer Welt, die so ganz auf Zweck und Nutzen, Ertrag und Effekt ausgerichtet ist, auch noch Dinge gibt, die zwecklos und nutzlos erscheinen, weil sie ihren Sinn nur in sich selbst haben?« Science Fiction darf spielerisch die Gesetze der Physik brechen, solange die Konsequenzen daraus in einer plausiblen Form dargestellt werden. Zeitreisegeschichten müssen spannend und stringent, das heißt folgerichtig und in sich schlüssig sein. Sie müssen aber weder mit dem Kausalitätsprinzip noch mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in Einklang stehen. Sie müssen nur so tun, als ob.

    Da hat also mal wieder einer eine Zeitmaschine erfunden. Jeder, der sich näher mit ihr beschäftigt, kommt ums Leben. Seltsame Besucher aus der Zukunft scheinen sich ihrer bemächtigt zu haben. Doch warum decken sie sich im örtlichen Getränkehandel mit reichlich Sprudelwasser ein? Warum hüllen die Medien (streng genommen nur eines) sich in Schweigen? Warum wird der Lokalreporter, der die Sache investigativ-journalistisch aufgedeckt hat, erst mundtot gemacht und ist dann am Schluss richtig tot? Jedenfalls wird die Öffentlichkeit des kleinen Provinzstädtchens nie erfahren, dass in kaum zwanzig Jahren Trinkwasser ein kostbares Gut sein wird und Triaden in undurchsichtige Geschäfte mit Mineralwasser verstrickt sein werden, das sie zuvor in der Vergangenheit, unserer Gegenwart, legal erstanden haben. Was auf der anderen Seite die Hörer dieses Hörspiels wohl nie erfahren werden, ist auch nicht gerade eine Bagatelle: Wie haben Chinesen der Zukunft nur so schnell von der Ankunft einer Zeitmaschine in der deutschen Provinz Wind bekommen? Ist unser Land 2030 längst vom Reich der Mitte annektiert? Würden handelsübliche Gebinde an Mineralwasser aus einem durchschnittlich sortierten kleinstädtischen Getränkemarkt rein mengenmäßig ausreichen, um damit in der Zukunft einen lukrativen, wenn nicht gar mafiösen Schwarzhandel zu treiben? Und wie transportiert man ein nennenswertes Quantum davon per Zeitmaschine, die kaum größer beschrieben wird als ihr berühmtes Vorbild? Wie ist ein so reges Kommen und Gehen in die Zukunft und retour erklärbar, wenn die Maschine dem Vernehmen nach nicht einmal mit einem Soziussitz ausgestattet ist? Wenn der Erfinder und nach dessen Exitus der Schrotthändler in die Zukunft und retour gereist sind und mit ihnen dann ja zwangsläufig wohl auch die Maschine, womit sollen dann die Chinesen in unsere Zeit gelangt sein?
    Antwort: Das darf man nicht fragen, so wenig wie man durch null dividieren darf! Günter Kunert geht es nicht um die Zukunft oder den Transfer dorthin. Für ihn steht die Geschichte des Lokalreporters im Vordergrund, der die Story seines Lebens aufdeckt und dann verbittert erkennen muss, dass er doch besser bei der Berichterstattung über das Winzerfest geblieben wäre. Für einen Schwank um Kleinstädterei und Provinzbürgertum hätte es freilich ganz und gar nicht des Zeitreisemotivs bedurft, das für den Gang der Handlung so bedeutsam ist wie der geheimnisvolle Koffer für Hitchcocks Suspense. Ein sprechender Dackel beim Dackelrennen hätte es auch getan.
    Schon in früheren Hörspielen hat Günter Kunert SF-Motive nur als Vorwand genutzt, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen. In Nummer 563.000, Planquadrat C3 (2001) dient ein System zur Lebenszeitrationierung nur als Aufhänger für eine Geschichte um Voyeurismus und sexuelles Begehren im Alter, und in Der Gondoliere von Itzehoe (2010) ist die überflutete norddeutsche Tiefebene bloßer Schauplatz für Kriminalität, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und die

Weitere Kostenlose Bücher