Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
sehr selten. Ja, manchmal kehrt sich ein Trend sogar um: Zum Beispiel kam es in den letzten Jahrzehnten nicht etwa zu einem stetigen Anwachsen staatlicher Macht; vielmehr ist die Tendenz zu beobachten, dass dem Einzelnen mehr Handlungsspielraum zugestanden wird und dass die Zahl der demokratischen Regierungen wächst. Manche Trends pendeln sich auch auf einem gewissen Niveau ein: Während mit der Hinwendung zur Industriegesellschaft Zeit mit einem Mal eine sehr viel wichtigere Rolle spielte, hat sich die besondere Aufmerksamkeit für Zeitfragen seither offenbar nicht weiter verstärkt, und ich sehe keine Anzeichen dafür, dass die Menschen heutzutage mehr von Pünktlichkeit besessen wären als vor dreißig Jahren; an Orten wie dem Silicon Valley machen sich die Unternehmer heutzutage wahrscheinlich sogar weniger Gedanken darum, ob ihre Angestellten pünktlich zur Arbeit erscheinen, als das bei ihren Vorgängern der Fall war. Dann gibt es auch noch Trends, die keinen linearen Verlauf nehmen: Natürlich könnte man einen Funktionsgraph zwischen der Menge Kleidung, die man in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts tragen musste, und der Menge, die man in den Fünfzigerjahren tragen musste, zeichnen und zu dem Ergebnis gelangen, dass in den Siebzigerjahren die Menge der erforderlichen Kleidung gleich null sein dürfte, aber anscheinend handelt es sich bei der Kurve, die die von der Gesellschaft geforderte Kleidungsmenge anzeigt, nicht um eine gerade Linie, sondern um eine Hyperbel, die sich immer weiter null annähert, ohne jemals die horizontale Achse zu berühren. Badeanzüge werden also immer freizügiger, aber es gibt keine Anzeichen für ihr endgültiges Verschwinden. So wie ein Taschenrechner, der, wenn er 1/x für immer größere x-Werte errechnen soll, irgendwann aufgibt und eine null anzeigt, wird vielleicht auch irgendwann völlige Nacktheit akzeptiert werden, aber ob das Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern wird, lässt sich schwerlich sagen.
5.Der Trugschluss der Analogie. Hierbei handelt es sich um die Annahme, dass eine neue Technologie in der gleichen Art und Weise aufgegriffen und eingesetzt werden wird wie eine verwandte frühere.
Ein Beispiel ist, wie Gernsback sich, aufbauend auf der Idee der Solarenergie, in »Ralph 124C 41+« gewaltige Solarenergiekraftwerke ausgemalt hat, hektargroße Felder mit Platten, die sich selbsttätig auf die Sonne ausrichten und Elektrizität erzeugen, die anschließend direkt zu den Menschen nach Hause geleitet wird. Eine unterhaltsamere Variante dieses Trugschlusses findet man in der Art und Weise wieder, in der die Jetsons -Zeichentrickserie und zahlreiche andere Filme und Texte die Luftfahrt der Zukunft darstellen, nämlich dicht an den Automobilverkehr angelehnt: Jeder hat ein Flugzeug auf dem Dach stehen, und auf dem Flug zur Arbeit reiht man sich auf einem Highway in luftigen Höhen ein, mitsamt Verkehrsschildern und Ampeln und patrouillierenden Polizisten auf fliegenden Motorrädern, die jene Fahrer rechts heranwinken, die zu schnell unterwegs sind oder ein schwebendes Stoppschild missachtet haben.
Normalerweise werden neue Technologien aber auch in neuer Art und Weise eingesetzt. Sonnenenergie lässt sich sinnvoller nutzen, wenn die Solarzellen in kleinen Einheiten an Wohnhäusern oder Geschäften angebracht werden; gewaltige Solarkraftwerke sind nicht besonders sinnvoll (abgesehen von Satelliten, die Energie zur Erdoberfläche strahlen). Das Reisen durch die Luft ist nicht wie das Reisen mit dem Auto und kann auch niemals so sein. Schon im bereits erwähnten Trugschluss des allgemeinen Wohlstands finden wir einen Grund dafür, dass nicht jeder amerikanische Bürger sein eigenes Flugzeug fliegt – Flugzeuge sind nach wie vor wesentlich teurer als Autos. Aber die eigentliche Erklärung dafür, dass sie das Auto in unserer Gesellschaft nicht ersetzt haben, ist eine andere: Wie jeder, der schon einmal ein modernes Cockpit gesehen hat, weiß, ist es verdammt kompliziert , ein Flugzeug zu steuern. Es handelt sich um eine Fähigkeit, zu deren Erlernen man sehr viel Zeit und Begabung braucht und die viele vermutlich niemals wirklich beherrschen werden. Wir haben schon genug Probleme mit Sechzehnjährigen, die versuchen, die relativ einfache Kunst des Autofahrens zu meistern; man stelle sich das Blutbad vor, wenn sie alle Flugzeuge fliegen würden. Und außerdem ist es – ganz zu schweigen von dem ästhetischen Desaster – schlicht und einfach nicht
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