Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Asimov von dem »unter Laien verbreiteten Mythos, dass es gewissermaßen die Hauptaufgabe von SF-Autoren wäre, Vorhersagen zu treffen, die irgendwann einmal eintreten«. 2 Und selbst wenn die Science Fiction bezüglich der Zukunft dann und wann auch mal richtig gelegen hat – Beispiele dafür sind Jules Vernes Unterseeboot, die Apollo-Mondlandung oder William Gibsons Cyberspace –, lässt sich das hinreichend mit statistischer Wahrscheinlichkeit erklären. Wenn in einem umfangreichen Textkorpus Tausende von Vorhersagen über die Zukunft getroffen werden, treten aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest ein paar davon ein – dasselbe Prinzip machen sich eine ganze Menge Wahrsager zunutze, um ihre Brötchen zu verdienen.
Trotzdem würde ich behaupten, dass einem die Science Fiction beim Treffen von Vorhersagen über die Zukunft helfen kann, wenn auch in indirekter Weise und vorausgesetzt, man befolgt ein bestimmtes Prozedere: Zunächst untersucht man die Vorhersagen früherer Science Fiction über unsere eigene Zeit auf die Trugschlüsse, die dafür verantwortlich sind, dass die meisten von ihnen weit an der Wirklichkeit vorbeigehen. Wenn man dann erst einmal festgestellt hat, aufgrund welcher Denkfehler die Autoren in die Irre gegangen sind, kann man sich mit den Vorhersagen zeitgenössischer Science Fiction über unsere Zukunft befassen, sie als weiteres Anschauungsmaterial zu den erwiesenen Trugschlüssen erkennen und zu dem Ergebnis gelangen, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch sind. Schließlich kann man daraus die logische Schlussfolgerung ziehen, dass Vorhersagen, die sich radikal von den solcherart aussortierten unterscheiden, wahrscheinlich zutreffen.
Um dieses Verfahren zu testen, habe ich eine Reihe falscher Vorhersagen aus früheren SF-Werken zusammengestellt und hergeleitet, inwiefern sie auf einer oder mehrerer von sieben falschen Grundannahmen beruhen, die ich hier als »Trugschlüsse des Vorhersagens« aufführe:
1.Der Trugschluss des allgemeinen Wohlstands. Damit ist die Annahme gemeint, dass alle Regierungen und Individuen in der Zukunft über ein Maß an Wohlstand verfügen werden, das es ihnen erlaubt, sich jeden gewünschten technischen Fortschritt zu leisten. Eine ähnliche Annahme mit den gleichen Konsequenzen – der Trugschluss des grenzenlosen Preisverfalls – besteht darin, dass alle technischen Neuerungen fortwährend billiger werden, bis sie sich schließlich praktisch jeder leisten kann.
Man denke beispielsweise an eine der üblichen Visionen einer Zukunftsmetropole: weit emporragende Wolkenkratzer mit Stegen in luftigen Höhen; Fußgänger auf Laufbändern; eine große Kuppel über dem Stadtzentrum, um die Klimaverhältnisse im Innern bis ins Kleinste zu kontrollieren. Eigentlich könnten wir eine solche Stadt mit der zur Verfügung stehenden Technologie schon heute bauen, aber welche Gemeinde könnte es sich auch nur im Entferntesten leisten, Laufbänder in die Bürgersteige einzubauen oder eine Kuppel über der Innenstadt zu errichten? Stellen Sie sich einmal vor, Sie versuchen, Bürgermeister von New York zu werden, indem Sie den Wählern versprechen, dass Sie eine lokale Umsatzsteuer in Höhe von fünfzig Prozent erheben, um von dem Geld in der ganzen Stadt fahrbare Bürgersteige zu installieren …
Aber wird der technische Fortschritt derartige Neuerungen irgendwann so billig werden lassen, dass sie sich jede Stadt leisten kann? Wahrscheinlich nicht: Es stimmt zwar, dass neuartige Geräte nach ihrer Einführung normalerweise immer billiger werden, aber das geht nicht ewig so weiter. Von den Fünfziger- bis zu den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts fielen die Preise für Farbfernseher dramatisch, aber danach kostete ein halbwegs großer Farbfernseher eine ganze Weile etwa 200 Dollar, während Videorekorder ihren Tiefstpreis bei etwa 150 Dollar erreichten. Kurz gesagt: Dinge, die heute sehr teuer sind, werden in der Zukunft tatsächlich billiger sein, aber man kann nicht davon ausgehen, dass sie so unglaublich billig werden, dass praktisch jeder sie sich leisten kann.
2.Der Trugschluss der Verdrängung. Hierbei handelt es sich um die Annahme, dass wir, sobald wir eine wissenschaftlich fortgeschrittenere Verfahrensweise gefunden haben, etwas Bestimmtes zu tun, alle älteren Verfahrensweisen sofort aufgeben.
Die frühe Science Fiction ist voll von solchen Vorhersagen. In einer Passage aus Hugo Gernsbacks Roman »Ralph 124C 41+« von 1925 benutzt
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