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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Dass er am Sonntag ausgerechnet zu Lara gefahren war, hatte das Ganze nur noch schlimmer gemacht. Annas Eifersuchtsszene über sein »Verschwinden nach Leipzig«, und das auch noch ausgerechnet am dritten Advent, hallte ihm noch immer in den Ohren. Weil sie sich partout nicht hatte beruhigen lassen, war er gegangen. Es nützte nichts mehr, sich etwas vorzumachen, die Ehe steckte in einer Krise.
    So etwas kam hin und wieder vor, und man musste einen Weg finden, das aufgewühlte Gewässer zu durchschiffen, ohne dass dabei Schiff und Mannschaft ernsthaft zu Schaden kamen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass es für ihn und Anna besser war, wenn er bei solch einer Eskalation wie der vergangenes Wochenende eine Zeitlang fernblieb, um ihr Zeit zu geben, ihr erhitztes Gemüt abzukühlen. Blieb er daheim, spitzte sich die Situation immer mehr zu, bis der Ballon irgendwann platzte. So hingegen konnten sich beide Seiten beruhigen, ohne einander weiter zu verletzen, und wenn er dann zurückkehrte, waren sie meist in der Lage, vernünftig miteinander zu sprechen.
    »Warst du erfolgreich?« Agnes rührte gedankenverloren in ihrem Tee.
    »Womit?«
    »Mit deinen Patienten heute.«
    »Besser als letzten Dienstag.« Mark dachte an Leon Malz und dass der heute deutlich entspannter gewirkt hatte. Laut den Aufzeichnungen des Personals hatte Malz keine Sedativa erhalten, weil er sich noch immer dagegen sträubte, also musste die Beruhigung von innen heraus gekommen sein. Er beschloss, das Thema zu wechseln. »Geroldsen ist noch da?«
    »Na klar. Was denkst du denn? Es ist ja nicht so, dass hier jede Woche einer ausbüxt. Der Patient Ende November war seit fast drei Jahren der erste, der es versucht und auch geschafft hat.«
    »Haben sie diesen André Mann eigentlich inzwischen geschnappt?«
    »Nein, er ist unauffindbar.«
    »Könnte Mann Kontakt mit Magnus Geroldsen gehabt haben?«
    »Ich denke nicht. Unmöglich ist es nicht, aber unwahrscheinlich. Warum fragst du?«
    »Bist du mittlerweile über die Fälle in Leipzig informiert, die in den Medien dem ›Schlachter‹ zugeordnet werden?«
    »Nicht in allen Details, aber ich weiß, was passiert ist.«
    »Und sind dir keine Parallelen zu Geroldsen aufgefallen?«
    »Mit etwas Fantasie könnte man Entsprechungen finden. Arbeitest du wieder als Fallanalytiker für die Kriminalpolizei? Wolltest du deshalb die Akte von mir haben?«
    »Ich habe eher ein privates Interesse an dem Fall.« Mark hob entschuldigend die Schultern.
    »Und nun glaubst du, André Mann habe seine Finger im Spiel, weil er vorher hier drin diesbezüglich von Magnus Geroldsen beeinflusst wurde?«
    »So wie du es sagst, klingt es tatsächlich etwas weit hergeholt. Er ist ja auch erst Ende November entflohen, als schon die ersten drei Herzen gefunden worden waren. Allein kann er es also nicht gewesen sein.« Mark sah Agnes’ skeptischen Gesichtsausdruck und setzte schnell fort: »Es wurde ja letzten Sonnabend auch ein anderer Tatverdächtiger entdeckt, der allerdings beim Auffinden leider tot war.«
    »Dieser Studer?«
    »Wie ich sehe, bist du doch informiert.«
    »Ich sagte ja: in groben Zügen. Die aktuelle Theorie ist doch, dass Studer die ersten fünf Taten begangen hat, oder?«
    »Davon geht die Kripo aus.«
    »Und du denkst, unser entwichener André Mann hat dann gestern das sechste Herz vor die Kita gebracht?«
    »Das ist natürlich reine Spekulation. Die sechs Taten gehören jedoch zusammen, da bin ich mir sicher. Wenn Mann es nicht war, dann ein anderer. Meiner Meinung nach hat alles, was bis jetzt geschehen ist, mit Magnus Geroldsen zu tun. Womit wir wieder bei den Ursprüngen wären.«
    Agnes wirkte gedankenverloren. Sie rührte in ihrem Tee und sah dabei aus dem Fenster auf den Hof hinaus. Mark versuchte, Blickkontakt aufzunehmen, aber sie reagierte nicht, und so fuhr er fort. »Neulich hatten wir ja schon einmal über Geroldsens Studium geredet. Das ist ja im Gefängnis immer ein Fernstudium.«
    »So ähnlich läuft es ab.«
    »Der Student hat also mit der Außenwelt Kontakt.«
    »Na klar, ohne das geht es schließlich nicht, spätestens bei den Prüfungen. Allerdings nicht in Form von Briefen oder Telefonaten, wie es sich der Laie vielleicht vorstellt. Das läuft heutzutage alles über Computer und Internet.«
    »Er kommt ins Internet?« Damit hatte Mark nicht gerechnet. Magnus Geroldsen war der erste Inhaftierte überhaupt, mit dem er zu tun hatte, der im Gefängnis – oder in seinem Fall im Maßregelvollzug

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