Das sechste Herz
Garage gezerrt hatte, war in der Totenstille nur das Schaben ihrer Schuhe, die über den Weg schleiften, untermalt von seinem schweren Atem, zu hören gewesen.
Bis zum Hervorsprudeln hellroten Blutes beim zweiten, tieferen Schnitt mit dem Skalpell war er sich nicht sicher gewesen, ob die kleine Mata Hari nicht doch schon den Geist aufgegeben hatte. Es hatte eine schiere Ewigkeit gedauert, bis die Rippenschere sich durch den Knorpel gefressen hatte und Knochen, Muskeln und Haut beiseitegespreizt waren.
Franks Blick irrte kurz von der Straße zum Rückspiegel. Er konnte sehen, dass er lächelte. Das warme Glücksgefühl beim Anblick des ersehnten Organs unter den aufgebrochenen Rippen wirkte immer noch Tage in ihm nach.
Natürlich war es ihm nicht gelungen, das Herz nach dem Öffnen des Brustkorbs lange am Leben zu erhalten, aber für einen kostbaren Augenblick lang hatte er es nach dem Abspülen des reichlich vorhandenen Bluts schlagen sehen. Von einer hellen Hülle umgeben, hatte der dicke Muskel zwischen den rosafarbenen Lungenflügeln pulsiert, bis er nach ein paar vergeblichen Schlägen schnell schwächer wurde und schließlich erschlaffte. Franks Enttäuschung hatte nicht lange angehalten. Die Erinnerungsbilder zauberten das Glücksgefühl immer wieder aufs Neue hervor. Er erinnerte sich nur zu gut an seinen Vorsatz, der Stimme von dem erhebenden Erlebnis berichten zu wollen.
Die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Autos blendeten, und Frank kniff die Augen zusammen und betätigte die Lichthupe.
Die nachfolgende Arbeit war hart gewesen. Ihm war die Zeit davongelaufen, und so hatte er sich entschieden, zuerst das Herz an die dafür vorgesehene Stelle zu bringen und sich Lisas Resten erst nach seiner Rückkehr zuzuwenden. In der verschlossenen Garage waren sie fürs Erste sicher und vor neugierigen Blicken verborgen. Ihr Auto hatte er nach kurzer Suche in einem Waldweg unweit seines Grundstücks gefunden, nur nachlässig zwischen den kahlen Sträuchern versteckt. Mit Lisas kleiner Klappermühle hatte er den Behälter mit ihrem Herzen in die Stadt gebracht, ihn am ausgewählten Ort positioniert, ihr Auto anschließend auf einem kostenfreien Parkplatz abgestellt und war mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis nach Taucha zurückgefahren. Den Rest des Weges nach Hause war er gelaufen.
Beim Säubern der Geräte hatte es schon gedämmert, und als Frank endlich fertig war und in einen unruhigen Schlaf fiel, erschien bereits wieder die Sonne über den Wipfeln der Fichten.
Langsam rollte der Audi über die glatten Pflastersteine. Frank warf einen schnellen Blick in den Waldweg, in dem Lisas Auto geparkt gewesen war. Die kleine Schlampe hatte sicher nicht damit gerechnet, dass sie von der Verfolgerin zur Verfolgten werden würde.
» Mein ist dein ganzes Herz …« Frank kicherte leise. Franz Lehár hatte sicher nichts dagegen, wenn man seinen Liedtext ein wenig abwandelte.
Er fuhr durch das rostige Tor und ließ den Wagen draußen stehen. Im Innern der Garage lagerte noch immer die leblose, schlaffe Hülle der kleinen Lisa. Auf dem Weg nach drinnen dachte er daran, wie ihn das Klingeln des Telefons am späten Vormittag aus seinem Schlummer gerissen hatte. Er hatte gewusst, wer am anderen Ende sein würde, und sein Herz hatte wie ein Dampfhammer zu schlagen begonnen. Niemand sonst außer der Stimme kannte diese Handynummer, niemand sonst hatte einen Grund, ihn anzurufen. In seiner Erregung war es ihm zuerst nicht gelungen, einen vernünftigen Satz hervorzubringen, er hatte minutenlang herumgestottert und sich verhaspelt, und es hatte mehrfache Ermahnungen gebraucht, sein aufgeregtes Gemüt zu beruhigen. Nachdem er voller Stolz mit dem Bericht von Lisas Beschattung, seinen Schlussfolgerungen und den nächtlichen Aktivitäten fertig gewesen war, hatte die Stimme geschwiegen. Länger als sonst. Die erste Frage war schließlich ganz leise und bedächtig gekommen, fast unhörbar, und das hatte Frank einen Schauer über den Rücken gejagt.
Natürlich war er vorsichtig gewesen, was denn sonst. Niemand hatte ihn beim Herausnehmen des Herzens beobachtet, keiner ihn beim Deponieren des Behälters auf dem Flur des Bürogebäudes gesehen. Dessen war er sich sicher. Und auch sonst war alles wie immer abgelaufen. Sogar an die Nummer auf dem Behälter hatte er gedacht.
Frank begann, die Einkäufe aus den Beuteln zu nehmen. Die Flaschen stellte er auf den Küchentisch. In seiner Brust loderte ein Feuer der Vorfreude.
Letztendlich
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