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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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auf und zu und sprudelte eine Vielzahl von sinnentleerten Sätzen hervor. Belustigt beobachtete Lara, wie der Freund sprachlos von diesem Wortschwall von einem Fuß auf den anderen trat und mit den Fingern an seinem Schal herumnestelte, als wäre ihm dieser zu eng.
    »Kommt ihr mit rein?« Jetzt hatte sie doch tatsächlich beide angesprochen, gleichzeitig jedoch Jos Unterarm gepackt und ihn mit sich gezogen. Im Vorraum angekommen, tätschelte die junge Frau noch einmal Jos Arm und verschwand dann durch eine Seitentür. »Ich muss erst einmal wohin. Bis gleich.«
    »Bis gleich? Was meint sie damit?« Lara spürte noch immer das amüsierte Grinsen auf ihrem Gesicht und fügte hinzu: »Diese Friederike – so heißt sie doch, nicht? – scheint ja voll auf dich zu stehen.«
    »Das ist mir auch schon aufgefallen. Ich hab Chancen.« Jo grinste. »Du wirst doch nicht etwa eifersüchtig?« Lara beeilte sich, das Gegenteil zu versichern, und zog die wattierte Jacke aus. Ein scharfer Geruch von Schweißfüßen schwebte in der Luft.
    »Da seid ihr ja schon!« Rolf kam mit ausgestrecktem Arm auf sie zu. »Habt ihr ein Foto mit?« Er schüttelte auch Jo die Hand und griff dann nach dem Blatt mit Lisa Bachmanns Foto, das Lara ihm entgegenhielt. Ein kurzer Blick genügte. »Das ist sie.« Rolf sah hoch. Das Papier in seiner Rechten zitterte. »Kein Zweifel. Die Frau auf dem Foto ist unsere Lisa. ›War‹ sollte ich wohl besser sagen. Mist. Was jetzt?« Seine Stimme zitterte ebenfalls.
    »Wir würden gern auf diesen Frank warten, wie wir es besprochen hatten.« Jo nahm dem Mann das Foto aus der Hand und reichte es Lara, die es wieder in der Mappe verstaute. Die anderen Teilnehmer des Meetings würden sie danach nun nicht mehr befragen müssen.
    »Ach ja. Aber sicher.« Der Gruppenleiter fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und ließ die Arme gleich wieder sinken. »Ich bin ein wenig durcheinander. Lisa ist tot.« Erneut fuhren die Hände nach oben und zerwühlten die dünnen Haare weiter, bis sie nach allen Seiten vom Kopf abstanden. In ihrem Rücken öffnete sich die Eingangstür, und als Lara sich umdrehte, sah sie die beiden Männer in den Armeeparkas mit dem identischen mürrischen Gesichtsausdruck hereinkommen. Sie begrüßten Rolf mit einem knappen »Hallo« und musterten dann die beiden Journalisten. Verächtlich, wie es ihr vorkam, aber vielleicht täuschte sie sich auch. Ohne ein weiteres Wort verschwanden sie in Richtung des Besprechungsraums.
    »Ein wenig griesgrämig, die zwei, was?« Jo hatte sein Handy hervorgeholt und versuchte, unauffällig auf das Display zu schielen.
    »Micha und Lutz sind immer so wortkarg. Nehmt es ihnen nicht übel.«
    »Ach was.« Lara beobachtete Jo. Sie würden die beiden Männer wahrscheinlich nie wieder treffen.
    »Wollt ihr kurz reinkommen? Bis es losgeht? Ist doch blöd, hier im Vorraum herumzustehen. Die anderen kennen euch doch jetzt auch schon. Ich könnte euch einen Kaffee anbieten.« Rolf hatte seine Manieren wiedergefunden.
    »Nein danke. Wir warten hier. Ewig kann es ja nicht mehr dauern, oder?« Noch ehe Jo zu Ende gesprochen hatte, flog die Tür auf, und ein Schwall eisiger Luft schwappte herein.
    »Was ist denn das hier schon wieder für eine Versammlung?« Der Dicke mit der roten Nase, neben dem Lara gestern gesessen hatte, watschelte herein; ein fröhliches Grinsen auf dem Gesicht, das jedoch schnell erlosch, als er nacheinander in die ernsten Gesichter blickte. »Die Tote von gestern war unsere Lisa, stimmt’s?« Erst jetzt fiel Lara auf, dass die anderen mit keiner Silbe danach gefragt hatten, was mit ihrer Leidensgenossin passiert war.
    »Es sieht so aus, Alfred.« Rolf kramte ein Taschentuch hervor und schnaubte geräuschvoll hinein. Inzwischen hatte sich auch Friederike wieder eingefunden. Sie stand nahe neben Jo, ihr linker Arm berührte wie unabsichtlich seine Hüfte. Lara schaute aus den Augenwinkeln hinüber und sah, wie Jo sich ein Grinsen verkniff. Der alte Macho hatte sichtlich Spaß an der Sache. Wieder öffnete sich die Tür. Zuerst trat ein Mann mit Zopf in einem für die Jahreszeit unangemessen dünnen Ledermantel herein, dann folgte eine Frau mit lila gefärbten Haaren. Der Pferdeschwanz-Typ herrschte die Frau an, sie solle gefälligst die Tür schließen, ehe er einen Gruß in die Runde nuschelte. Unfreundlich und selbstverliebt, konstatierte Lara. Die Frau schaute alle mit erschrockenem Blick an und drängte sich dann mit gesenktem Kopf an

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