Das Sexprojekt: Wie ich (mich) auszog, die beste Liebhaberin der Welt zu werden (German Edition)
aufgestellten Stühle, die wir alle antanzen und auf denen unser imaginärer Zuschauer sitzt, erinnern entfernt an einen Strip. Eventuell auch unsere Hände, die während unserer verbesserten Hüftschwünge über unsere Körper streichen, aber hey: Wer sich noch an Lambada erinnern kann, das war zehnmal sexueller. Wir gackern und glucksen und es ist ein bisschen wie in einer Schulklasse früher. Es sind auch alle Typen von damals wieder vertreten: Es gibt die Unscheinbare, die Schöne, die Streberin, einen Klassenkasperl, die Pickelige, es ist alles dabei. Man findet sofort die eine, die eine beste Freundin werden könnte, und eine Gans, die man gemeinsam hassen kann.
Am nächsten Tag werden unsere Schrittfolgen, Drehungen und Wendungen zu einem Ganzen zusammengesetzt. Eine Choreografie ist fertig. Und es kommt der Moment, in dem unser Chippendale sagt: »Zeit zum Umziehen!«
Snoopy, jetzt wird’s ernst , denke ich und ziehe Jeans und T-Shirt aus, die doppelte Wäsche habe ich schon an. Keine von uns geht in die Umkleide, wir ziehen uns in einer Ecke des Tanzraums um (aus). Wer zusammen einen Stripkurs belegt, sollte sich nicht genieren. Mein Problem: Meine Strip-Kollegin Daniela hat mir zwar halterlose Strümpfe geliehen, aber ich habe keinen Strapsgürtel. Zum Glück rechnet Thomas immer mit so Blindgängern im Dessousbereich und hat einen in Reserve. Das bringt mich direkt zum nächsten Problem: Ich kriege die Verschlüsse von dem Mistding nicht zu. Also die vier Spangen, die an den Strümpfen festgemacht werden. Wahrscheinlich ist die Spitzenbordüre vom Strumpf zu dick oder so was. Schließlich knien Daniela, Eva, Kathrin und der Chippendale zu meinen Füßen und versuchen sich jeder an einem Verschluss. Jetzt nur nicht pupsen . Das ist ein befremdliches Gefühl, wenn man da so in Unterwäsche steht und von oben zusieht, wie Leute, deren Nachnamen man nicht kennt, an einem rumpfriemeln. Vor allem mit dem Wissen, dass die Beinrasur gestern lauter kleine rote Punkte auf meiner Haut hinterlassen hat. So wie ein Huhn nach dem Rupfen. In diesem Moment schaue ich kurz auf und sehe uns in der Spiegelwand. Das wäre was fürs Fotoalbum , kommt mir kurz in den Sinn.
Schließlich, komplett angezogen, mit Anzug, Krawatte und Hut, stehen wir herum wie ein verrückter Haufen Blues-Brothers-Fans. Wir machen uns wieder an die Choreografie, nur diesmal mit dem Unterschied, dass tatsächlich die Kleidungsstücke fallen. Ich lerne: Alle Klamotten werden in eine Richtung geworfen, nämlich nach rechts. So will es die Choreografie. Da wir alle nebeneinander in einer Reihe stehen ist rechts da, wo Daniela steht. Die muss ein bisschen aufpassen, dass sie nicht von einer fliegenden Gürtelschnalle erschlagen wird. Und wie wir da in Unterwäsche und hohen Hacken um unsere Stühle herum filieren, fällt mir auf, dass es überhaupt nicht unangenehm ist. Ich weiß nicht, wie unser Chippendale das gemacht hat, aber keine der sieben aufgestrapsten Frauen kommt sich blöd vor. In keinem Moment haben wir das Gefühl, von einem Mann betrachtet zu werden. Obwohl er sich abwechselnd auf die Stühle setzt und genau guckt, um sofort mit sicherem Blick zu korrigieren. Es ist so unverfänglich, wie vor einem Bademeister zu stehen oder vor einem Physiotherapeuten. Nur das Vokabular ist anders: »Du musst während des Hüftschwungs links mehr über deine Brust fahren« – das muss man erst mal hinbekommen, dass das nicht blöd klingt.
In so einer Situation kommt es dann dazu: Thomas sitzt gerade auf meinem Stuhl und sieht mir zu, als just der Part kommt, in dem man im Tigergang, also auf allen vieren, auf den Typen zuschleicht. Ich schleiche also in Unterwäsche auf allen vieren auf Thomas zu und denke: Das glaubt mir zu Hause kein Mensch . Wenn ich das Jana erzähle, stirbt sie vor Lachen . Ich treffe mich später mit Jana in einem neu eröffneten schicken Restaurant und an dem Abend prustet sie einen vollen Schluck Rotwein in einem perfekten Bogen über den Restauranttisch an die Brokattapete dahinter. Das ist an der Stelle, als ich ihr erzähle, wie ich nur in BH, Unterhose, Strapsen und auf hohen Schuhen zur Toilette wollte. Ich ging den Gang entlang und merkte auf halbem Weg, dass im Tanzraum nebenan gerade eine Hip-Hop-Klasse übte. Und dass die eine Glaswand zum Gang hatten.
Zum Abschluss bilden wir Zweiergrüppchen, eine setzt sich auf den Stuhl, das andere performt. »Weil das ganz gut ist, wenn man das einmal aus der Rolle des
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