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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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Sexbesessenheit und unser Bekehrungseifer eher auf jugendliche Verspieltheit zurückzuführen waren. Wenn wir uns zu viert oder fünft in der winzigen Wohnung auf dem Bett im Erker tummelten – was den Eindruck noch verstärkte, wir würden uns in einem Versteck zusammenkauern –, dann deshalb, weil das Abendessen sich zu einem »Ringelpiez mit Anfassen« auswuchs. Die Gäste kitzelten sich unter dem Tisch mit den Füßen den Schoß, oder einer streckte den Finger aus, den er in eine besonders durchscheinende und leicht duftende Soße gesteckt hatte. Für Henri war es ein Spiel, in Begleitung eines Mädchens zu kommen, das er eine halbe Stunde zuvor in einer Galerie kennen gelernt hatte, oder unsere kleine Bande streifte um vier Uhr morgens herum und suchte die Wohnung einer Freundin, bei der wir uns unbedingt auf den schönen Laken wälzen wollten. Jedes zweite Mal ging es daneben. Das Mädchen ließ sich befummeln, sich den BH aufhaken oder den Slip herunterziehen, doch den Rest des Abends saß sie auf einem Stuhl und rührte sich nicht, sagte, nein, sie könne nicht, würde aber gerne zusehen, ja, das wäre schon in Ordnung für sie, und sie würde warten, bis wir sie wieder heimbrächten. Ich konnte Leute beobachten, Männer wie Frauen, die sich mit einer Arschbacke auf einen Stuhl geflüchtet hatten oder auf beiden Arschbacken an der Kante eines Sofas saßen und die Augen nicht von den anderen nahmen, die es ein paar Zentimeter entfernt trieben, doch diese Zentimeter versetzten sie in eine andere Zeit. Sie machten nicht mit, man kann daher auch nicht sagen, dass sie fasziniert waren. Sie hinkten der Zeit hinterher oder waren ihr voraus als eifrige und geduldige Zuschauer, die eine erbauliche Dokumentation verfolgten.
    Der Bekehrungseifer war natürlich oberflächlich, denn die kleinen Provokationen galten viel eher uns selbst als jenen, die wir angeblich mit einbeziehen wollten. Henri und ich landen in einer großen Altbauwohnung am Boulevard Beaumarchais, wo Intellektuelle wohnen, die das blanke, knarzende Parkett und die unzureichende Deckenbeleuchtung im Originalzustand belassen. Der Freund empfängt uns mit einem breiten und steten Lächeln, das seinen dichten Bart teilt; verheiratet ist er mit einer modernen Frau, die jedoch mürrisch zu Bett geht. Und wir, wir brechen die Tabus, ich glaube mich zu erinnern, dass ich bebte und zwischen ihrem Urinstrahl schallend lachte. Aber nein, verbessert mich Henri, nur er hat mich angepisst. Sicher jedenfalls ist, dass wir uns dazu in die große Badewanne aus emailliertem Blech setzten. Dann vögelten wir zu dritt auf dem Balkon. Ich wohne für ein paar Monate bei einer Freundin, schlafe in einem ganz kleinen Mansardenzimmer ohne Möbel, manchmal leisten mir die Katzen Gesellschaft. Wenn ihr Freund kommt, lässt sie die Tür ihres Zimmers weit offen stehen, sie halten sich in ihren Ausrufen nicht zurück. Doch ich komme nicht auf die Idee, mich ihnen anzuschließen, ich mische mich nicht in die Angelegenheiten anderer ein. Ich kauere in dem schmalen Bett und komme mir ein bisschen vor wie ein Hausmädchen. Doch mit dem Eigensinn von Tieren und Kindern arrangiere ich mich und spinne meine Freundin in mein Leben ein. Da wir sowieso zusammenleben, gibt es keinen Grund, dass sie nicht auch die gleichen Schwänze in Ihren schönen Schoß schiebt wie ich. Das geht drei, vier Mal so. Sie lässt sich entschlossen aufs Bett nageln, spreizt die Beine wie Schmetterlingsflügel. Es gefällt mir, wie sie in Anbetracht von Jacques’ schwingendem Schwanz, den er aus dem engen Slip gerissen hat, mit offenem Blick und lauter Stimme sagt, er hätte »einen Stößel wie ein Hengst«. Mit Jacques gestalte ich zu diesem Zeitpunkt mein Leben neu. Heute erinnert er mich daran, dass ich einmal die Nerven verlor und ihn mit Fußtritten traktierte, während er sie vögelte. Auch das hatte ich vergessen. Doch ich erinnere mich gut, wie ich selbst nie eingestandene Eifersüchteleien herauskitzelte. Ich habe den Eindruck, als spiele ich in einem Film über das freie, müßige Leben der jungen Reichen mit, wenn ich frühmorgens nach einem Gang zum Bäcker Alexis wecken gehe; er wohnt in einer schönen Maisonettewohnung in der Rue des Saints-Peres. Ich mag es, selbst so frisch zu sein neben seinem Pyjama, der genau so verschwitzt war, wie er sein soll. Er macht sich immer über meine Betthüpferei lustig und meint, dass er zu dieser Tageszeit wenigstens sicher sein könne, der Erste zu sein, der

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