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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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sporadisch fallen sie zusammen. Wir redeten ziemlich manieriert, deutlich, das Augenmerk auf dem Detail, wie zwei pingelige Augenzeugen, die einander halfen, einen Vorfall aus der Vergangenheit zu rekonstruieren. Kurz vor dem Orgasmus redete mein Partner weniger. Ich weiß nicht, ob er sich auf ein Bild unseres vorgestellten Films konzentrierte. Manchmal verlegte ich für mich das Szenario in einen privateren Rahmen; die Baubaracke wurde zur Concierge-Wohnung in einem Haus, das renoviert wurde. In diesen kleinen Zimmern ist das Bett manchmal durch einen Vorhang verdeckt. Nur mein Bauch und meine Beine schauen heraus, und die Hauarbeiter, die traubenweise kommen, beackern mich, ohne dass sie mich sehen und ohne dass ich sie sehe. Die Concierge wacht über einen geordneten Ablauf.
Gemeinschaften
    »Vielzahl« kann man sich auf zwei Arten vorstellen – als Menge, in der die Individuen verschmelzen, oder als Reihe, in der das, was die Individuen trennt, sie auch vereint – wie ein Verbündeter die Schwäche des anderen ausgleicht, wie ein Sohn dem Vater ähnelt und doch ein ganz anderer ist. Die ersten Männer, die ich kennen lernte, machten mich gleich zur Vertreterin eines Netzes, dessen Mitglieder sich nicht alle kennen, zum unbewussten Mitglied einer im biblischen Sinn weit verzweigten Familie.
    Ich sagte schon, dass ich Angst hatte vor zwischenmenschlichen Beziehungen und dass Sex ein Refugium war, wohin ich mich gerne flüchtete, um mich den Blicken, die mich verlegen machten, und dem verbalen Austausch, in dem ich noch unerfahren war, zu entziehen. Dass ich nicht die Initiative ergriff, stand außer Frage, ich habe nie Männer aufgerissen. Doch ich war in jeder Situation ohne Zögern und ohne Hintergedanken durch alle meine Körperöffnungen und in all meinem Sein verfügbar. Wenn ich meine Persönlichkeit nach dem proustischen Ansatz als ein Bild betrachte, das andere von mir malten, dann dominiert dieser Wesenszug. »Du sagst nie nein, du lehnst nie etwas ab. Du machst nie Zicken.« »Du bist überhaupt nicht passiv, aber du bist auch nicht aufreizend.« »Du bist ganz natürlich, weder reserviert noch ordinär, nur ab und an ein ganz kleines bisschen maso …« »Bei den Partys bist du immer die Erste, immer vorne am Bug …« »Einmal hat Robert dir ein Taxi geschickt, als wäre es ganz dringend, und du bist ganz selbstverständlich gekommen.« »Man hat dich als Phänomen betrachtet; selbst bei unzählig vielen Typen bleibst du bis zum Schluss immer gleich, gibst dich ihnen hin. Du spielst weder die Frau, die ihrem Kerl einen Gefallen tut, noch die große Schlampe. Du warst wie ein ›Kumpel‹.« Folgender Eintrag im intimen Tagebuch eines Freundes schmeichelt meiner Selbstliebe immer noch: »Catherines Gelassenheit und Gefügigkeit in jeder Situation verdienen größtes Lob.« Der erste Mann, den ich kennen lernte, hat mich mit dem zweiten bekannt gemacht. Claude war mit einem Kollegenehepaar befreundet, das etwa zehn Jahre älter war als wir. Er war nicht sehr groß, aber sehr athletisch, sie hatte ein schönes asiatisches Gesicht, blonde, kurze Haare, und sie war etwas hölzern – ein Charakterzug, mit dem intelligente Frauen manchmal ihre Freizügigkeit ausgleichen. Kann sein, dass Claude etwas mit ihr hatte, bevor er mich zum Vögeln mit ihm zusammenbrachte. Wir praktizierten eine Art getrennten Partnertausch und machten auch so weiter, als wir ein Zimmer neben ihrer Wohnung mieteten. Ich ging zu ihnen, um ihn zu treffen, sie kam zu uns rüber, um Claude zu treffen. Die Wand war wie eine Fernbedienung – auf jeder Seite lief ein anderer Film. Nur ein einziges Mal respektierten wir diese Trennung nicht; es war in den Ferien, in ihrem Haus in der Bretagne. An jenem Nachmittag fiel ein weiches, helles Licht bis in die Ecke des Wohnzimmers, wo er auf dem Sofa lag, ich saß am Fußende. Sie kam und ging, Claude war nicht da. Er zog mich an sich mit diesem trägen, fast ergebenen Blick, den manche Männer haben, auch wenn sie herrisch sind, er nahm mein Kinn, küsste mich und schob meinen Kopf an seinen Schwanz. Das mochte ich – ihn hart machen und dabei ganz zusammengekrümmt sein; es war mir lieber, als mich zum Vögeln auszustrecken. Und ich habe ihn schön gelutscht. Vielleicht begriff ich an jenem Tag, dass ich dafür ein Talent habe. Ich koordinierte die Bewegungen meiner Hand und meiner Lippen; am Druck seiner Hand auf meinem Kopf spürte ich, wann ich schneller oder langsamer machen sollte. Aber

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