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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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Körperfalten, hinter dem Ohr, die Leistenbeuge, Achselhöhlen, Pofalte. Ich strich auch über die Rillen seiner halb geöffneten Hände. Und während des ganzen Vorspiels dachte ich, wie schön es sein würde, wenn er mich bald umdrehte und nahm, wie ich gerne genommen werde, von hinten, wenn er mich an den Arschbacken fasste und sie mit harten, tiefen Bewegungen an seine Lenden drückte. Besonders mag ich es, wenn der Schwanz stoßweise eindringt und wieder herausgezogen wird, in einem von drei oder vier Malen überrascht mich ein etwas lebhafterer Stoß und macht mich wild. Größere Lust, als wenn die Finger sich den Weg bahnten, verspürte ich dennoch nur in Ausnahmefällen. Ich dachte mir, wenn die Tür wieder einmal verschlossen bleibt, werde ich eben warten und dafür sorgen, dass diese Tür oder die Lektion in Sachen Moral überwunden wird.
    Zuvor hatte ich eine Liaison mit dem Fotografen, der die misslungenen Bilder in der Redaktion gemacht hatte. Wir verabredeten uns in einem Hotel in der Nähe der Avenue des Gobelins oder hinter der Gare de l’Est in einer leer stehenden Wohnung, die ihm jemand zur Verfügung stellte, immer zu ungewöhnlichen Zeiten für einen Freiberufler, der von den Bürozeiten einigermaßen unabhängig ist: zwischen elf und zwölf am Mittag oder um halb vier und halb fünf … Schon am Abend davor erregten mich die Vibrationen der Sitzbank in der Metro, wenn ich an unser Wiedersehen dachte. Das konnte so heftig sein, dass ich manchmal ein paar Stationen vor meinem Ziel aussteigen und mich beim Gehen entspannen musste. Dieser Mann lutschte mich unbeschreiblich gut. Seine Zunge war weich und langsam, er fuhr in jeden Winkel meiner Vulva, kreiste um die Klitoris und leckte mein Loch mit langer Zunge wie ein junger Hund. Dann musste sein Schwanz natürlich unbedingt diese offene Wunde heilen. Wenn er schließlich genauso zärtlich eindrang und genauso gewissenhaft bohrte wie mit der Zunge, war meine Lust allerdings nicht so groß, wie die aufsteigende Begierde gewesen war.
    Da wir immer irgendwo hinfahren mussten, um uns zu treffen, kam es auch vor, dass wir uns in der kurzen Zeitspanne verpassten. Wenn er nicht kam, lag ich mit baumelnden Füßen auf dem Bett, die Lust steckte schmerzhaft zwischen meinen Beinen wie ein Keil, der verhinderte, dass ich sie wieder schloss. Der Druck schien mir unüberwindlich und machte es mir fast unmöglich, die Aufgaben des Tages zu erledigen, ins Büro zurückzukehren, zu telefonieren, wichtige oder auch unwichtige Entscheidungen zu treffen. Wie könnte ich bis zum nächsten Treffen normal weiterleben, als sei nichts geschehen? Mit meinem brennenden Verlangen kam ich mir vor wie eine Holzpuppe, die man fallen ließ, Arme und Beine gespreizt, steif, unfähig, sich von selbst zu bewegen. Doch diese Schwäche, die mich immer überkommt und die je nach den Umständen mehr oder weniger quälend ist, dauert zum Glück nicht an. Die Tür meines Büros ist ohne mein Zutun immer eine vollkommen undurchlässige Schleuse, selbst wenn mein Schoß triefend nass ist (oder wenn sonst etwas passiert), habe ich die selige Gabe, mich genauso leicht in meine Arbeit zu vertiefen wie in die Liebe.
    Ich hätte kaum ein Buch planen können, dessen erstes Kapitel mit »Die Zahl« überschrieben ist, wenn ich nicht schon die Erfahrung gemacht hätte, plötzlich wie ein Satellit aus meiner Umlaufbahn geworfen zu sein, wo ich von einem Netz an Beziehungen festgehalten wurde, das die Kontrolle über mich verloren hatte. Dieses Fallen vollzog sich in zwei Phasen. Es fing damit an, dass ich zuweilen immer öfter unbefriedigt war und dies noch schlimmer erlebte als oben beschrieben. Die Erregung konnte sehr groß sein. Die Zeichen, die absolute Lust voraussagten, waren für mich kalte Lippen und Gänsehaut (darauf komme ich später noch ausführlicher zu sprechen). Wenn die Sache scheiterte, wie es oft der Fall war, tat sich vor mir anstelle des erhofften tollen Endes ein unüberwindliches Hindernis auf. Wenn sich der andere entfernte und ich die Beine wieder schloss, wollte ich mit derselben Beharrlichkeit, mit der ich versuche, in einem Artikel ein Kunstwerk genau zu beschreiben, schildern, was mich da beherrschte, aber ich hatte dafür keine Worte. Ich stellte mir die Frage: Wie kann ich dieses absolute Gefühl benennen? Sicherlich eine Art Hass für den, der an meiner Seite gewesen war, ein Hass, der unabhängig war von den Gefühlen, die ich sonst für diesen Menschen hegte.

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