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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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war.
    Beim Rückweg von einem Spaziergang nehme ich ungern die gleiche Strecke wie beim Hinweg. Ich studiere die Karte, suche einen neuen Weg, der mich zu einer Stelle, einem Gebäude, zu etwas Besonderem führt, das ich noch nie gesehen habe. Als ich nach Australien ging und die größte Entfernung zurücklegte, die von meiner Heimat aus auf dieser Erde möglich ist, wurde mir klar, dass meine Wahrnehmung von dieser Entfernung vergleichbar war mit der Vorstellung, auf keine sexuellen Grenzen zu stoßen. Dabei fragte ich mich, ob die Freude an eigenen Rindern zur gleichen Gattung der Gefühle gehört. An diese Erinnerungen ist auch Eric geknüpft, der sich solche Mühe gab, wie ein »Reiseleiter« immer wieder einen anderen Ablauf unserer Abende zu planen; darauf komme ich noch zurück. Er wollte »den Raum dehnen«, wie er sagte.

2 Der Raum
    Viele herausragende Kunsthistoriker schenkten im Lauf ihrer Tätigkeit der Architektur immer mehr Aufmerksamkeit (ich denke an André Chastel und Giulio Carlo Argan) und machten sie zum Thema ihrer Studien. Wie vollzog sich die Verlagerung ihrer Analysen von Räumen, die in der Malerei dargestellt werden, zur Analyse der Aufteilung realer Räume? Als Kunstkritikerin wäre ich vielleicht bereitwillig ihrem Beispiel gefolgt, hätte ich nicht in der modernen und zeitgenössischen Kunst Bildwerke entdeckt, die sozusagen an der Grenze des imaginären und des bewohnbaren Raums stehen, riesige, zwingende Farbfelder von Barnett Newman (der gesagt hat: »Ich definiere den Raum«), das leuchtende Blau von Yves Klein, der sich als »der Maler des Raums« verstand, oder die topologischen Objekte von Alain Jacquet, die Abgründe von Paradoxa darstellen. Charakteristisch ist aber nicht, dass diese Werke den Raum öffnen, sondern dass sie ihn öffnen und wieder schließen, Newman macht es mit dem Zip, Klein mit den Anthropometrien, den Körperabdrücken, Jacquet mit einem Möbius’schen Band. Wenn man sich darauf einlässt, kommt man sich vor wie in einer riesigen Lunge.
Die Portes von Paris
    Der Parkplatz an der Porte de Saint-Cloud liegt am Rand der Umgehungsstraße, nur zum Teil durch einen Lattenzaun davon getrennt. Ich hatte nur Schuhe an, vor dem Aussteigen hatte ich den Regenmantel ausgezogen, dessen Futter kalt auf meiner Haut war. Ich sagte schon, dass sie mich zuerst an eine Mauer drückten. Eric sah, wie mich »die Schwänze aufspießten wie einen Schmetterling«. Zwei Männer stützten mich unter den Armen und an den Schenkeln, während die anderen sich an meinem Schoß abwechselten, auf den ich reduziert war. In unsicheren Situationen und wenn es viele Männer sind, bumsen sie meist schnell und heftig. Ich spürte, wie die Unebenheiten der Mauersteine gegen meinen Rücken und mein Kreuz drückten. Trotz vorgerückter Stunde war immer noch Verkehr. Das Dröhnen der Wagen hörte sich an, als führen sie in nächster Nähe vorbei, und es bewirkte bei mir eine schläfrige Benommenheit wie beim Warten auf Flugplätzen. Mein Körper war schwerelos und gekrümmt zugleich, ich zog mich auf mich selbst zurück. Hin und wieder sah ich durch halb geschlossene Lider die Scheinwerfer, die über mein Gesicht streiften. Meine Träger entfernten sich von der Mauer, und ich spürte, wie ich gleichzeitig von zwei kräftigen Armen hoch gehoben wurde. So verwirklichte sich in einer verschwommenen Umgebung, wo Bilder meiner Vorstellung und die Wirklichkeit sanft ineinander griffen, eine virulente Fantasie, die mich lange bei der Masturbation begleitete – ich werde von zwei Fremden in die Halle eines dunklen Gebäudes geschleppt, sie nehmen mich im Sandwich, pfählen mich beide, der eine durch die Möse, der andere durch den Arsch.
    Soweit ich das beurteilen kann, kam ich zu mir, als mein Körper wieder eine normale Haltung einnahm. Jemand hatte einen Mantel über eine Kühlerhaube gebreitet und mich hingelegt. Ich kenne diese Stellung, es ist nicht einfach, sich fest zu halten. Ich rutschte und konnte mich nicht immer gut den Schwänzen anpassen, die die feuchte Rinne suchten. Ich war der unsichtbare Fluchtpunkt eines Schattentheaters, es sei denn, die Wagen warfen ihr gelbes Licht auf die Bühne. Ich nahm die Gruppe als ganz weit verstreut wahr, ich konnte denken, dass die, die schon abgespritzt hatten, sich nicht mehr für den Fortgang der Ereignisse interessierten. Vor mir zeichnete sich die Silhouette eines Wagens ab, der höher war als die anderen, offensichtlich ein Kleinlaster, der

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