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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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vielleicht als provisorischer Sichtschutz dienen sollte.
    An die Ankunft auf dem kleinen Sportplatz von Velizy-Villacoublay habe ich eine sehr lustige Erinnerung. Der Weg war weit, der Fahrer an der Spitze des Trupps hatte sich über das Ziel so in Geheimnisse gehüllt, dass wir lauthals auflachen mussten, als sich der Ort plötzlich vor uns auftat wie eine große Lichtung mitten im Wald. Die Nacht war klar. Wenn man solche Anstrengungen auf sich nimmt, um einen Ort zu finden, will man normalerweise an eine abgelegene Stelle, die dem Bild einer verschworenen Gemeinde angemessen ist! Außerdem waren wir uns alle bewusst, dass wir mitten unter den Schatten jener Männer bumsten, die dort Mittwoch nachmittags Fußball spielten. Auf die Fragen, die natürlich nicht ausblieben, sagte der Betreffende, dass er den Ort kannte, weil er dort tatsächlich oft trainiert hatte. Er war verlegen, als hätte er einen alten Traum preisgeben müssen. Wer hat noch nicht davon geträumt, mit den Beinen in der Luft die harmlosesten Orte zu besudeln, die er oft besucht? Die Gruppe flüchtete sich unter die Ränge, denn es scheint der menschlichen Natur zu widerstreben, mit Blick auf den Horizont oder eine sehr weite Landschaft zu vögeln. Im Grunde schützt man sich weniger vor Blicken, die die Lust noch mehr blockieren können als Körper. Wer im Sommer am Strand im Mondschein vögelt, stellt in Gedanken eine Intimität her und schottet sich von der ihn umgebenden Unendlichkeit ab. Unsere Gruppe war zu groß und zu weitläufig, um von selbst diese Intimität herzustellen. Ich nahm ein paar Schwänze im Stehen, an einen Holm der Ränge geklammert, das Kleid hatte ich nur hoch geschoben, denn es war zu kalt, um alles auszuziehen, mein Hintern aber war ganz entblößt. Mit meiner schlanken Taille eigne ich mich gut für diese Stellung. In dem Kreis um meinen ausgestreckten Hintern ging es lebhaft zu, während mein Blick verschwommen über die Brüstung auf den leeren Rasen gerichtet war.
    Irgendwann muss ich nackt gewesen sein. Wir scherzten, dass wir nach Belieben die Umkleidekabinen hinter dem Schuppen, der auch als Büro des Steh-Imbisses diente, benutzen konnten. Davor war eine Theke, ich streckte mich aus und hatte das ambivalente Vergnügen, gedreht und gewendet zu werden wie eine Handelsware erster Güte. Ich strampelte und atmete tief die feuchte Luft ein. Das Dach des Schuppens war über die Theke vorgezogen, die Bretterwände waren ordentlich und sauber, ohne einen Aushang oder Anschlag, alles war sehr schlicht gehalten, im Stil einer Kulisse, die ein Bühnenbildner so realitätsfern wie eine Skizze entworfen hat. Ich genoss die letzten Berührungen, die letzten Zungenschläge an meiner Vulva, die auf bequemer Höhe war, dann fuhren die Wagen wieder los, denn wir hatten einen weiten Rückweg vor uns.
    Oft fanden diese Abenteuer nachts statt, denn die öffentlichen Orte, wo man sich zu vielen aufhalten kann und die sich wie Theaterbühnen für ein Repertoire anbieten, für das sie nicht bestimmt sind, sind dann sehr viel zugänglicher und weniger beobachtet, zumindest stehen sie unter wohlwollender Beobachtung. Eine Freundin von Eric hat von so einem Ort die eisige, aber stimulierende Erinnerung an eine Gürtelschnalle auf ihrem Hintern – ein Dienst, den sich das Paar und die motorisierten Streifen im Bois gegenseitig erwiesen hatten. Auch glaubt man, dass die Dunkelheit schützt. Doch für Menschen mit einer Gesinnung wie der meinen erlaubt sie auch, den Raum so weit auszudehnen, dass die Grenzen mit dem Auge nicht wahrnehmbar sind. Das Spalier der Bäume im Abstand von ein paar Metern ist kein Hindernis mehr. Absolute Dunkelheit gibt es sowieso nicht, die Leute bevorzugen auf jeden Fall das verschwommene Halbdunkel; ich hätte gerne absolute Schwärze, weil es mir Lust machen würde, in einer Masse undifferenzierten Fleisches aufzugehen. Stattdessen kann ich in ein grelles Licht sehen, denn die Blendung und die Unmöglichkeit, die Lichtquelle zu orten, verschwinden in einem weichen Nebel, in dem sich die Grenzen des Körpers auflösen. Ich habe also keine Angst, plötzlich gesehen zu werden, denn mein Körper treibt im gleichen Staub wie die Luft und wie die anderen Körper, die sich mit ihm kontinuierlich verbinden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort Blicke von außen gibt.
    Bei einem Verdauungsspaziergang führte der Instinkt Bruno und mich an den Rand des Bois de Vincennes auf eine etwas erhöhte Grünfläche, deren

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